Dynamische Zentralschweizer Wirtschaft trotzt der Krise

Die IHZ hat in den letzten Wochen Gespräche mit den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der grössten Unternehmen in der Zentralschweiz geführt. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Firmen mit dem Geschäftsjahr 2021 zufrieden ist, so der Tenor der Vorstandsunternehmen der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ.

Einzig die direkt von der Krise betroffenen Branchen mussten erwartete Rückschläge in Kauf nehmen. Dabei konnte den wirtschaftlichen Herausforderungen wie Preiserhöhungen in Rohstoffen, Energie und Transport sowie Probleme mit den Lieferketten getrotzt werden. Auch der Blick in die Zukunft ist positiv, nur können die Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels weniger Arbeitsstellen schaffen, als sie gerne würden.

 

Die breit diversifizierte Zentralschweizer Wirtschaft hat das zweite Krisenjahr mehrheitlich gut überstanden. Nach eigenen Angaben konnte eine Mehrheit der Firmen ihre Umsätze trotz wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber dem Vorjahr steigern. Lediglich die von der Krise und den verordneten Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie direkt betroffenen Branchen sowie deren Zulieferer mussten Rückschläge in Kauf nehmen. Mit internen Anpassungen und zuvor getätigten Rückstellungen sowie mit der Inanspruchnahme der gezielten staatlichen Instrumente konnten existenzbedrohende Auswirkungen verhindert werden. Beispielsweise hat die Kurzarbeitsentschädigung geholfen, dass nur wenige Stellen abgebaut werden mussten. Bis auf wenige Branchen rechnen viele von Entlassungen betroffene Firmen damit, das Personal kurz- bis mittelfristig wieder einstellen zu können. Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern konnten überdurchschnittlich viele Stellen schaffen und planen den Personalbestand 2022 weiter auszubauen.

 
Investitionen in Dekarbonisierung, Digitalisierung und Personal

Trotz guten Geschäftsjahren liegen die Investitionen im langjährigen Mittel. Über die letzten Jahre wurden insbesondere in den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung äusserst hohe Investitionsanstrengungen unternommen. Viele gegenwärtige Projekte sehen Investitionen in die Produktentwicklung sowie im Personalmanagement vor. Letztere beinhalten hauptsächlich gezielte Einstellungsprogramme mit Ausbildungsfunktion sowie berufliche und schulische Weiterbildungen des bestehenden Personals. Die befragten Unternehmen rechnen damit, dass die Personalkosten steigen.

 

Wirtschaftliche Herausforderungen

Gegenwärtig kämpft die Wirtschaft insbesondere mit Preiserhöhungen der Rohstoffe und im Transportwesen sowie mit stark gestiegenen Energiepreisen. Da einige für die Produktion wichtige Teile nur schwer verfügbar waren, mussten die Auftragsbücher dynamisch angepasst oder stark höhere Preise für die Güter in Kauf genommen werden. Aufgrund der ausserordentlichen Spezialisierung der Zentralschweizer Wirtschaft wurden die direkten Preiserhöhungen und die indirekten Preiserhöhungen im Export über die Aufwertung des Schweizerfrankens grösstenteils von der Kundschaft akzeptiert. Ebenfalls wurden langjährige Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen den Firmen und ihren Zulieferern sowie gegenüber der Kundschaft als gute Voraussetzungen genannt, um die Herausforderungen zu lösen.

Die Robustheit der Zentralschweizer Wirtschaft ist erstaunenswert. Langfristig könnten diese Tendenzen sowie insbesondere das ungeklärte Verhältnis zur Europäischen Union das Potential der Zentralschweizer Wirtschaft jedoch beschränken. Die Industrie ist Abhängig vom Abbau technischer Handelshemmnissen und gegenseitigen Anerkennung von Produktionsstandards im In- und Ausland. Auch im Energiesektor sind Abkommen mit den Nachbarländern wichtig, um eine effiziente Stromversorgung sicherzustellen.

 

Gute Rahmenbedingungen mit Verbesserungspotential

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Zentralschweizer Kantonen wurden generell als gut eingestuft. In einzelnen Bereichen der gesetzlichen Rahmenbedingungen besteht jedoch Optimi-rungspotential. Die Unternehmen haben in den letzten Jahren stark in die Digitalisierung der administrativen Abläufe investiert und nehmen wahr, dass die kantonalen und nationalen Behörden hinterherhinken. Am deutlichsten fällt dies bei der fehlenden Akzeptanz von digitalen Unterschriften sowie bei papierlastigen Baugesuchen auf. Bei Letzteren behindern und verteuern teils lange Bewilligungsverfahren wichtige Projekte. Gleichzeitig fordern die Unternehmen mehr Praxisbezug bei der Gesetzesauslegung und Anwendung. Teilweise führen gut gemeinte Gesetze zu unbeab-sichtigten Effekten. Zum Beispiel ist die Umsetzung der Lohngleichheitsanalyse im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes nicht zielführend. Einerseits sind Grossfirmen aufgrund des administrati-ven Aufwandes im Personalbereich grundsätzlich gezwungen, Lohnkostenentscheidungen zu standardisieren. Diese Standards bemessen die Lohnniveaus geschlechterunabhängig und die Überprüfung durch eine unabhängige Stelle ist lediglich ein zusätzlicher Kostenfaktor. Andererseits sind die Bemessungsgrundlagen für die unabhängige Evaluation nicht ganz ausgereift. Beispielsweise wird der Ausbildung mehr Wichtigkeit beigemessen als der tatsächlichen Qualifikation und Berufserfahrung der Mitarbeitenden, was im Widerspruch zur betriebswirtschaftlichen Realität steht. Weiter werden im Standard Analyse-Tool gewisse Vergütungselemente wie Schichtarbeit- oder Nachtdienstzulagen nicht differenziert betrachtet, was wiederum massive Auswirkungen auf die Lohngleichheitsanalysen der Unternehmen haben und zu entsprechend falschen Ergebnissen führen kann. Die Unternehmen stossen zudem wiederholt auf Zielkonflikte. Beispielsweise wären einige Firmen bereit, auf einem grösseren Teil ihrer Dachflächen Photovoltaikanlagen zu installieren, was aber durch Vorgaben zur Dachbegrünung verhindert wird.


Exkurs Covid-Unterstützungsmassnahmen

Im Speziellen werden auch die pragmatischen und unkomplizierten Unterstützungsinstrumente während der Covid-19-Krise auf kantonaler und nationaler Ebene hervorgehoben. Die IHZ begrüsst in diesem Zusammenhang exemplarisch die jüngsten Entscheidungen des Luzerner Regierungsrates, dass Gewinne bis zur Höhe der jeweiligen Unternehmensgewinne zurückbezahlt werden müs-sen. Der Regierungsrat hat richtigerweise Entschieden, dass die Wettbewerbsverzerrung nicht zwischen denjenigen Firmen besteht, die trotz Härtefallgeldern Gewinn erwirtschaftet haben und nun rückzahlungspflichtig sind und jenen, die die Härtefallhilfen nicht zurückzahlen müssen. Sondern, dass eine Wettbewerbsverzerrung zwischen Firmen besteht, die keine Härtefallhilfen bezogen haben und solchen die mit Härtefallhilfen Gewinn erwirtschaften konnten. Die IHZ setzt sich auch im Hinblick auf das geplante, nationale Härtefallprogramm 2022 dafür ein, dass die weiteren Zentralschweizer Kantone diese Wettbewerbsverzerrung ebenfalls korrigieren.

 

Bremsfaktor Fachkräftemangel

Die Wachstumserwartungen werden aber durch fehlendes Personal getrübt. Zahlreiche Unternehmen, die ihre Produktion expandieren wollen und können, finden die nötigen Fachkräfte nicht. Einige Stellen bleiben auch nach über sechs Monaten unbesetzt, was insbesondere eine präzise Planbarkeit verunmöglicht und Wachstumsprojekte verzögert. Diese Herausforderung besteht in qualifizierten technischen, handwerklichen und administrativen Berufen und betrifft alle Regionen in und ausserhalb der Zentralschweiz. Mit diversen Projekten wird versucht, qualifiziertes Personal zu rekrutieren oder aufzubauen. Beispielsweise bestehen Aus- und Weiterbildungsprojekte mit dem Ziel, branchenfremde Personen, die in die Unternehmenskultur passen, zu rekrutieren und die Arbeitsplatzattraktivität mit Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit und höheren Löhnen anzupassen. Mittelfristig besteht die Gefahr, dass Expansionsprojekte aufgrund des Fachkräftemangels im Ausland durchgeführt werden. Auch das Lehrlingswesen schafft nur begrenzt Abhilfe. Die schulischen Anforderungen sind teilweise so hoch, dass Lehrabschlüsse ohne unternehmensinternem Stützunterricht, nicht erreicht werden kann. Ein möglicher Schritt wäre es, Kantonsschulabgängern den Einstieg ins Berufsleben über verkürzte Lehren näherzubringen.

 

Resultate decken sich grösstenteils mit anderen Umfragen in der Zentralschweiz

Auch die Umfragen bei Unternehmen im Kanton Obwalden, Schwyz und Luzern zeichnen ein positives Bild von 2021 und der Erwartungen für das Jahr 2022. Wie aus den kantonalen Befragungen des KMU- und Gewerbeverbands des Kanton Luzern (KGL), dem Schwyzer Wirtschaftsverband H+I hervorgeht und des Gewerbeverbandes Obwalden (GVO) hervorgeht, hat sich die Wirtschaft als resilienter erwiesen, als im Vorjahr angenommen. Gemäss den Konjunkturbeobachtungen des H+I haben die Schwyzer Unternehmen bereits gut gefüllte Auftragsbücher für das neue Jahr. Zudem werden teilweise Umsatzsteigerungen erwartet, die die Wirtschaftsleitung auf das Vorkrisenniveau steigern könnten. Das KMU Barometer im Kanton Luzern zeichnet ein ähnliches Bild. 40 Prozent der Firmen geben in der Umfrage an, dass sich die Auftragslage im Vergleich zu 2022 verbessert hat. 57 Prozent der teilnehmenden Firmen erwarten für das nächste Jahr nochmals eine verbesserte Auf-tragslage. Dies beeinflusst auch die Erwartungen zum Personalbestand. Fast ein Drittel der Unternehmen rechnet damit, neue Arbeitsstellen schaffen zu können, nur 14 Prozent erwarten eine Abnahme des Personalbestandes. Im Kanton Obwalden sind die Erwartungen im Vergleich ge-dämpfter. Rund ein Viertel erwartet eine bessere Auftragslage, 60 Prozent rechnet mit einer in etwa gleichbleibenden Zahl an Aufträgen.


Verschiedene Faktoren stellen die Unternehmen jedoch vor Herausforderungen. In allen drei Kantonen werden Margenverluste durch hohe Preise bei Rohstoffen und Rohmaterialien und umsatzmindernde Versorgungskrisen befürchtet. Die Effekte sind in den verschiedenen Branchen aber unterschiedlich spürbar. Insbesondere in der Bauwirtschaft, in der Industrie sowie im Handel und in den Branchen Fahrzeuge und Logistik wird mit grösseren Umsatzeinbussen gerechnet. Zurzeit sind im Kanton Luzern rund zwei Drittel der Firmen von Lieferengpässen betroffen, die Hälfte davon stark. Mit dem Aufschwung steigt zudem die Sorge, nicht genügend qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Deutlich zeigt dies im Kanton Obwalden. Rund 19 Prozent der befragten Unternehmen geben an, praktisch keine Fachkräfte zu finden. Ein Viertel bekundet keine ausserordentlichen Probleme, Fachkräfte zu finden. Die Schwyzer Unternehmen sehen auch im ungeklärten Verhältnis zur europäischen Union Risiken für den erwarteten Aufschwung.

 

Kontakt

Yves Spühler, Wirtschaftspolitik

Yves.spuehler@ihz.ch

041 417 01 46

 

Quellen

Wirtschaftscockpit Zentralschweiz:
Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ führt jeweils zu Beginn des Jahres Gespräche mit Ihren Vorstandsmitgliedern, den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der grössten Zentralschweizer Unternehmen. Dabei werden strukturierte Fragen zur Geschäftslage des vergangenen sowie zu den Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr diskutiert. Gezielte Fragen zu aktuellen Herausforderungen wie Aussenhandel, Fachkräftemangel, Lehrlingswesen sowie praktische Erfahrungen mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben es, allgemeine Problemfelder der Zentralschweizer Wirtschaft zu eruieren und Lösungsansätze zu bieten.


Luzerner KMU-Barometer 2021:
Die Umfrage wird jährlich vom KMU- und Gewerbeverband Luzern in Auftrag gegeben und von Demoscope gesponsert und verfasst. Im Zeitraum von 10. September bis 31. Oktober 2021 wurden 767 Mitglieder (rund 12% der Mitglieder) befragt.

Konjunkturbeobachtungen des H+I – Der Schwyzer Wirtschaftsverband:
Der H+I – Der Schwyzer Wirtschaftsverband führt jährlich eine Gesprächsrunde mit Unternehmer und Unternehmerinnen aus der Schwyzer Wirtschaft durch. Das den aktuellen Konjunkturbe-obachtungen zugrundeliegende Gespräch hat am 21. Oktober 2021 stattgefunden.

 

Obwaldner Gewerbeumfrage:
Die Umfrage wird in regelmässigen Abständen vom Gewerbeverband Obwalden durchgeführt. Die aktuelle Umfrage wurde vom 23. September bis 4 Oktober 2021 von 168 Unternehmen ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 14 Prozent der Mitglieder des Gewerbeverbandes entspricht.