
IHZ Jahresanalyse: 2025 im Zeichen der Effizienz
Zentralschweizer Unternehmen zeigen sich trotz des schwierigen Umfeldes zufrieden mit dem vergangenen Jahr. Während der Margendruck und die Unsicherheiten zunehmen, beobachten die Unternehmen eine leichte Entschärfung des Fachkräftemangels. Die Zentralschweizer Wirtschaft begegnet den Herausforderungen mit Effizienz- und Produktivitätsgewinnen – also mehr Umsatz- als Personalwachstum. Die steigende Bürokratie macht den Unternehmen jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Die Zentralschweizer Wirtschaft konnte den seit Mitte 2022 anhaltenden konjunkturellen Abwärtstrend auch im vergangenen Geschäftsjahr nicht brechen. Das Jahr startete zwar mit positiven Impulsen und optimistischen Erwartungen der Unternehmen für das zweite Halbjahr. Mehrere Faktoren führten jedoch zu einer starken Korrektur zur Jahreshälfte: Absatzschwierigkeiten im Ausland, eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens, Zurückhaltung bei Investitionen sowie eine schwächelnde Konsumentenstimmung. Im letzten Quartal verzeichnete die Zentralschweizer Wirtschaft dann ein Wachstum sowohl in der Produktionstätigkeit als auch in der Auftragssituation. Eine Mehrheit der Unternehmen zeigt sich spätestens nach diesem Schlussspurt zufrieden mit dem Jahr 2024.
Lichtblicke in der Industrie
Die Industrie leidet unter der schwächelnden Auslandsnachfrage und der zurückhaltenden Investitionstätigkeit. Die im Vergleich zu den USA und zu China sehr hohen Energiekosten sowie der starke Franken schmälern zudem die Wettbewerbsposition der exportierenden Unternehmen. Die Zentralschweizer Industriebranche, stark vom Maschinenbau und vom kriselnden Handelspartner Deutschland abhängig, verzeichnete 2024 im Branchenvergleich eine besonders schlechte Geschäftslage. Einige Unternehmen klagten zudem über eine ausserordentliche Volatilität der Auftragslage. Phasen mit grossen, kurzfristigen Aufträgen und Überstunden wechselten sich mit Phasen tiefer Auslastung ab. Im Jahresverlauf wurde das erfolgreiche Instrument der Kurzarbeit vereinzelt in Anspruch genommen. Zu Beginn des Jahres waren über 80 Betriebe von Kurzarbeit betroffen, auch im Juni (59 Betriebe) und im September (54 Betriebe) blieb die Zahl der betroffenen Unternehmen erhöht. Im Januar und Februar betraf die Kurzarbeit zu einem grossen Teil Unternehmen in der Branche Elektrotechnik, Elektronik, Uhren und Optik. In der zweiten Jahreshälfte waren vor allem Maschinenbauunternehmen betroffen. Das letzte Quartal 2024 war aber zufriedenstellend, eine Verbesserung der Situation im laufenden Jahr ist möglich.
Im Baugewerbe hat sich die Stimmung jüngst deutlich verschlechtert. Bauunternehmen sind mit der Auftragsentwicklung grundsätzlich zufrieden, nicht aber mit der Ertragslage und der Kapazitätsauslastung. Ein rasch sinkendes Zinsniveau könnte dem Bausektor neue Impulse geben. Dennoch sind Zentralschweizer Bauunternehmen eher pessimistisch für die nächsten sechs Monate. Der Projektierungssektor entwickelt sich weiterhin überdurchschnittlich gut. Die Aufträge sind zwar leicht rückläufig, gleichzeitig macht sich aber eine Entspannung des Fachkräftemangels bemerkbar.
Der Detailhandel verzeichnete im zweiten und dritten Quartal einen deutlichen Abwärtstrend. Die Geschäftslage verbesserte sich im vierten Quartal, auch dank dem zuvor schwächelnden Bereich Elektrogeräte. Für die kommenden Monate wird eine stagnierende Konsumentenstimmung erwartet, Hoffnungen auf eine Aufhellung sind aber intakt. Der Markt erlaubt derzeit keine Preiserhöhungen. Preissenkungen sind aufgrund der knappen Margen und des Lohndrucks der letzten Jahre ebenfalls schwierig.
Die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe konnten nicht vollständig an die sehr gute Auslastungs- und Ertragslage des Vorjahres anknüpfen. Dennoch wird die Geschäftslage im Gastgewerbe mehrheitlich positiv eingeschätzt, insbesondere dank des starken Auftakts der Wintersaison über die Weihnachtstage. Der Druck auf die Ertragslage nimmt zu. Preiserhöhungen sind aus mehreren Gründen nicht möglich: die schwächelnde Eurozone, der starke Franken sowie die zurückhaltende Konsumentenstimmung im Inland sind dafür mitverantwortlich. Gleichzeitig wies der Tourismussektor in den letzten Jahren die höchste Lohnentwicklung aller Branchen auf.
Die Stimmung im Grosshandel hat sich binnen Jahresfrist eingetrübt. Eine Mehrheit der Unternehmen bewertet die Geschäftslage mittlerweile als schlecht. Insbesondere der Handel mit Ausrüstungs- und Produktionsgütern leidet unter der ungünstigen Lage im Industriesektor.
Im Dienstleistungssektor zeigt sich grundsätzlich ein positives Bild. Es bestehen jedoch grosse Unterschiede zwischen den Bereichen. Die Bereiche wirtschaftliche Dienstleistungen, Unternehmensberatungen sowie Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften bewerten die Geschäftslage deutlich negativer als beispielsweise die Teilbereiche Verkehr sowie Information und Kommunikation.
Jahr 2025 von Unsicherheiten geprägt
Die Unternehmen blicken mehrheitlich positiv auf das Jahr 2025. Bei der Einschätzung der künftigen Auftragslage und Konjunkturentwicklung herrscht jedoch grosse Unsicherheit - eine verlässliche Prognose fällt den Unternehmen deutlich schwerer als in der Vergangenheit.
Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage beinhaltet zahlreiche Risiken. Die politischen Krisen in den Nachbarländern Österreich, Deutschland und Frankreich bremsen die Hoffnung auf eine rasche Erholung der Konjunktur in diesen wichtigen Absatzmärkten. Auch die amerikanische Politik wirft Fragen auf. Einerseits könnten die angedrohten protektionistischen Massnahmen wie Zölle der Schweizer Exportindustrie erheblich schaden. Andererseits könnten amerikanische Deregulierungsbestrebungen dem Markt und somit der Nachfrage Auftrieb geben. Für die geopolitischen Konflikte sind gegenwärtig keine Lösungen in Sicht. Diese geopolitischen Risiken hemmen das Investitionsklima und lassen den Franken als sichere Währung weiter aufwerten. Beide Faktoren wirken sich stark negativ auf die Zentralschweizer Wirtschaft aus.
Positive Impulse bietet hingegen das sinkende Zinsniveau, das neue Investitionsanreize schaffen könnte. Auch die Konsumentenstimmung dürfte sich weiter aufhellen, da Arbeitnehmer im Jahr 2024 deutliche Reallohnzuwächse verzeichneten und auch im Jahr 2025 damit rechnen können. Die Unternehmen profitieren zudem von der leichten Entspannung beim Fachkräftemangel. Hoffnung besteht ausserdem auf positive konjunkturelle Signale aus dem Euroraum. Auf der negativen Seite macht insbesondere der Margendruck den Zentralschweizer Unternehmen zu schaffen. Die hohen Energiekosten sowie die wachsenden Reallöhne erhöhen die Kosten. Die Preise können aufgrund der unsicheren Nachfrage nicht erhöht werden, was auch in den sinkenden Inflationszahlen beobachtet werden kann.
Unternehmen reagieren mit Effizienz und Produktivität
Um den sinkenden Margen entgegenzuwirken, planen Zentralschweizer Unternehmen die Prozesse effizienter zu gestalten und die Produktivität zu erhöhen. Konkret bedeutet dies: Mit weniger Personal soll mehr Umsatz erzielt werden. Das zeigt sich auch in der Beschäftigungsstatistik (BESTA) des Bundesamtes für Statistik (BFS). Während im ersten Quartal des Jahres noch 5,9 Prozent der Unternehmen eine Erhöhung ihres Personalbestands planten, waren es Ende Oktober 2024 nur noch 4,1 Prozent.
Die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen in der Zentralschweiz ist seit Januar 2022 deutlich zurückgegangen. Zwischen dem ersten Quartal 2020 – vor der Corona-Pandemie – bis zum ersten Quartal 2022 hatte sich die Zahl der unbesetzten Stellen fast verdoppelt. Am Höhepunkt konnten Zentralschweizer Unternehmen mindestens 17'383 Stellen nicht besetzen, was im Vergleich zu den damals Beschäftigten einer Quote von 4,4 Prozent entsprach. Die Anzahl registrierter Arbeitsloser in der Region ist bis zur Jahreshälfte 2022 um mehr als 40 Prozent gesunken. Die Arbeitslosenquote erreichte einen Tiefststand von 1,1 Prozent. Seither ist die Zahl der offenen Stellen wieder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie gesunken. Die Anzahl Arbeitslose liegt gegenwärtig rund 20 Prozent unter dem Wert im ersten Quartal 2020. Im gleichen Zeitraum hat die Zentralschweizer Wirtschaft 8 Prozent neue Stellen geschaffen und erfolgreich besetzt.
Die angestrebten Produktivitätssteigerungen werden durch wachsende administrative Anforderungen gebremst. Besonders die Erfüllung von Regulierungen und Berichtspflichten bindet zunehmend Personal. Die Unternehmen müssen nicht nur neue Koordinationsstellen schaffen, um den Überblick über die Regulierungsanforderungen zu behalten. Auch die Umsetzung von Berichtspflichten wie beispielsweise in den Bereichen Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption erfordert erhebliche Ressourcen: Hunderte von Datenpunkten müssen erfasst, ausgewertet und dokumentiert werden.
Zusätzliche Belastungen entstehen durch europäische Regulierungen. Als Zulieferer müssen Zentralschweizer Unternehmen beispielsweise das Lieferkettengesetz, die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten sowie die Batterieverordnung erfüllen. Diese oft komplexen und teilweise überflüssigen bürokratischen Vorgaben beeinträchtigen die Produktivität: Sie verteuern die Produkte, ohne deren Qualität zu verbessern.
Für Fragen und Anmerkungen:
Yves Spühler | Leiter Wirtschaftspolitik und Ökonomie
Erklärung der Erhebung «Geschäftslage»
Die in den Grafiken zur Geschäftslage verwendeten Daten beruhen auf der Unternehmensumfrage «Geschäftslageindikator» der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. In der Umfrage werden die Unternehmen gebeten, ihre Gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen. Sie können die Lage mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» bezeichnen. Der Saldowert der gegenwärtigen Geschäftslage ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «gut» und «schlecht». Die Grafik zeigt saisonbereinigte Werte der Zentralschweiz über die abgebildeten Wirtschaftsbereiche. Branchenzugehörigkeit: Baugewerbe: Hochbau, Tiefbau und Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe (NOGA 41-43); Industrie: Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren (NOGA 10-33); Grosshandel: Grosshandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 46); Detailhandel: Detailhandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 47); Gastgewerbe: Beherbergung und Gastronomie (NOGA 55-56); Finanzsektor: Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 64-65); Projektierung: Architektur- und Ingenieurbüros (NOGA 71); Verschiedene Dienstleistungen: Übrige Dienstleistungsbranchen ohne staatsnahe Branchen und Staatssektor, Verkehr und Lagerei (NOGA 49–53), Information und Kommunikation (NOGA 58–63), Grundstücks- und Wohnungswesen (NOGA 68), Erbringung von freiberufl., wissen. u. techn. Dienstl. (NOGA 69–75, ohne 71), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstl.(NOGA 77–82), Kunst, Unterhaltung und Erholung (NOGA 90–93)
Zur Jahresanalyse
Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ evaluiert regelmässig die konjunkturelle Lage in der Zentralschweiz. Neben der vierteljährlichen Quartalsanalyse und der halbjährlichen Konjunkturumfrage, veröffentlicht die IHZ jeweils im Januar einen Rückblick auf das vergangene Geschäftsjahr und wagt einen Ausblick in das kommende Geschäftsjahr. Als Grundlage dafür dient eine Expertenbefragung mit den IHZ-Vorstandsmitgliedern sowie die Konjunkturumfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Alle Zahlen zur Zentralschweizer Wirtschaft im Wirtschaftscockpit Zentralschweiz der IHZ
Die IHZ fasst mit dem Wirtschaftscockpit Zentralschweiz die wichtigsten ökonomischen Kennzahlen der Wirtschaftsregion zusammen. Das Wirtschaftscockpit beinhaltet Konjunkturanalysen, die wichtigsten ökonomischen Kennzahlen sowie themenspezifische Spezialanalysen. Die Sammlung der Daten gibt Aufschluss über die Geschäftslage der Zentralschweizer Unternehmen, misst den ökonomischen Erfolg der Region und zeigt auf, was die Zentralschweizer Wirtschaft von anderen Regionen unterscheidet.