
IHZ-Quartalsanalyse Q1/2025: Schwacher Jahresstart nach starkem Jahresendspurt
Die Zentralschweizer Wirtschaft legte zum Jahresende 2024 einen beachtlichen Schlussspurt hin, startet jedoch verhalten ins neue Jahr. Der Zentralschweizer Industriesektor verzeichnet im Gegensatz zur schweizerweiten Industriebranche trotz der herausfordernden Konjunktur eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorquartal. Die anhaltenden konjunkturellen Herausforderungen zwingen die Unternehmen weiterhin zu Effizienzsteigerungen, was sich auch auf die Arbeitsmärkte niederschlägt.
Die Zentralschweizer Wirtschaft zeigte sich zum Jahresende dynamisch. Nachdem die Einschätzung der Geschäftslage in den Monaten Juli und August auf den tiefsten Wert seit 2021 gefallen war, setzten die Zentralschweizer Unternehmen zu einem regelrechten Schlussspurt an. Insbesondere in den Monaten Oktober und November bewerteten Zentralschweizer Unternehmen die konjunkturelle Situation deutlich besser ein als in den vorhergehenden Monaten. Sogar unter den Industrieunternehmen sah sich im November eine Mehrheit einer positiven konjunkturellen Lage gegenüber – das erste Mal seit 2023.
Nach einer leichten Korrektur der Geschäftslage im Dezember startete die Zentralschweizer Wirtschaft verhalten ins Jahr 2025. Es zeichnet sich ab, dass die konjunkturellen Herausforderungen im neuen Jahr anhalten. Die Geschäftslageerwartungen für das nächste Halbjahr sind stärker gesunken als die gegenwärtige Einschätzung der Geschäftslage. Vielen Wirtschaftsakteuren fällt es jedoch schwer eine verlässliche Prognose über die Auftragsentwicklung der nächsten Monate zu stellen - die Unsicherheiten auf den weltweiten Absatzmärkten sowie in der Handels- und Geopolitik sind derzeit hoch.
Betriebe in der Region fokussieren sich weiterhin darauf, ihre Geschäftsfelder zu konsolidieren. Sie agieren vorsichtiger bei der Ausweitung der Produktion und konzentrieren sich auf die Optimierung der Prozesse. Diese Effizienzbestrebungen haben auch Effekte auf den Arbeitsmarkt: Ein Grossteil der Unternehmen plant den Personalbestand zu erhalten oder abzubauen. Die im Vergleich zum Vorquartal praktisch unveränderte Situation in den Bereichen Detailhandel und Gastgewerbe lässt jedoch darauf schliessen, dass der Privatkonsum nach wie vor einen stützenden Effekt auf die gesamte Wirtschaft hat. Ebenfalls positiv ist, dass Unternehmen eine weitere Entschärfung des Fachkräftemangels beobachten.
Der Zentralschweizer Industriesektor verzeichnet zum zweiten Mal in Folge eine leichte Verbesserung der Geschäftslage gegenüber dem Vorquartal. Im November 2024 resultierte erstmals seit Juni 2023 sogar ein positiver Wert. Die Branche bewegt sich allerdings im Januar 2025 wieder im negativen Bereich am linken Ende der Grafik. Dies bedeutet, dass mehr Unternehmen die Geschäftslage negativ als positiv beurteilen. Bei den Aussichten für die nächsten sechs Monate zeigen sich die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes zwar mehrheitlich positiv, der Optimismus hat innerhalb des Quartals jedoch leicht abgenommen. Viele Betriebe verfügen aktuell über einen ausreichenden Auftragsbestand, allerdings schmelzen die Auftragsreserven ab und die zukünftige Nachfrageentwicklung lässt sich schwer abschätzen. Es fehlen derzeit umfassende Impulse auf den internationalen Absatzmärkten und im Investitionsbereich. Gleichzeitig rechnet eine deutliche Mehrheit der Unternehmen mit sinkenden Preisen, was die Umsätze zusätzlich unter Druck setzt. Die Entwicklung der regionalen Geschäftslage in der Zentralschweiz hat sich dabei vom gesamtschweizerischen Durchschnitt der Industriebetriebe abgekoppelt. Während der von der pharmazeutischen und chemischen Industrie geprägte gesamtschweizerische Wert in den Monaten Juli bis Oktober höher lag, beurteilt der vom Maschinenbau, der Metallverarbeitung und der Herstellung von elektronischen Apparaten geprägte Zentralschweizer Industriesektor die Geschäftslage seither deutlich positiver.
Die Geschäftslage im Grosshandel hat sich im Vergleich zum Vorquartal von allen Branchen am positivsten entwickelt. Die Branche schafft somit auch den Sprung in den positiven Sektor. Diese Entwicklung ist einerseits auf die Erwartung von leichten Preissteigerungen, andererseits auf den nach wie vor stabilen Grosshandel mit Konsumgütern zurückzuführen. Die Lage im Produktionsverbindungshandel bleibt hingegen ungünstig
Der Detailhandel profitiert weiterhin vom starken Privatkonsum. Die Einschätzung der Geschäftslage liegt im Januar leicht höher als noch im Oktober. Die Aussichten für die nächsten sechs Monate trüben sich im gleichen Zeitraum jedoch ein. Eine Mehrheit der Unternehmen rechnet deshalb mit sinkenden Absatzpreisen und folglich mit geringeren Margen.
Im Gastgewerbe entwickelte sich die Lage ebenfalls leicht positiv. Beherbergungsbetriebe in den Städten und insbesondere in den Bergregionen sowie die Gastronomie zeigen sich mit der Auslastung zufrieden und erwarten eine stabile oder gar wachsende Nachfrage. Aus diesem Grund rechnet eine Mehrheit der Unternehmen damit, eine Preissteigerung durchsetzen zu können und somit den Umsatz zu erhöhen. Gleichzeitig erwarten die Betriebe weiterhin eine starke Lohnentwicklung und damit eine deutliche Erhöhung der Personalkosten.
Die Zentralschweizer Baubranche verzeichnet nach einer schwächeren Phase seit September im Januar 2025 wieder eine leichte Verbesserung. Die Zufriedenheit mit dem Auftragsbestand hat sich wieder etwas erhöht. Dennoch bleibt die Auslastung eher tief und eine verlässliche Prognose über die zukünftige Nachfrage gestaltet sich schwierig. Im Projektierungssektor schwächt sich die Geschäftslage auf hohem Niveau leicht ab. Die Nachfrage nach Dienstleistungen von Ingenieur- und Architekturbüros ist gegenwärtig zufriedenstellend, die Auftragsentwicklung in den nächsten sechs Monaten wird jedoch eher pessimistisch eingeschätzt.
Unternehmen der Finanzbranche beobachten nach einer anhaltend starken Phase seit Mitte 2023 eine negative Entwicklung der Geschäftslage. Bei den Banken belasten die sinkenden Zinsen die Ertragslage, während sich das Kommissions- und Handelsgeschäft positiv entwickelt. Versicherungen äussern sich unzufrieden über die Anzahl neuer Versicherungsabschlüsse.
Die übrigen Dienstleistungsunternehmen verzeichnen von allen Branchen den stärksten Einbruch gegenüber dem Vorquartal. Insbesondere in der Information und Kommunikation sowie im Teilbereich Verkehr wird die Auslastung als zu niedrig eingestuft. Eine Mehrheit der Dienstleistungsunternehmen rechnet zudem mit sinkenden Preisen. Auch wenn die Aussicht für die nächsten sechs Monate innerhalb des Quartals etwas pessimistischer eingeschätzt wird, rechnen die Unternehmen mit einer stabilen, vom Privatkonsum gestützten Nachfrage.
Das herausfordernde konjunkturelle Umfeld zwingt Unternehmen weiterhin, ihre Produktivität zu steigern. Obwohl Mitarbeitende wieder leichter zu finden sind, bleibt der Druck auf die Lohnentwicklung hoch. Trotz einer deutlich sinkenden Teuerungsrate rechnen die Firmen mit Nominallohnsteigerungen von 1,5 Prozent in den nächsten zwölf Monaten.
Die erwarteten Lohnentwicklungen fallen dabei branchenspezifisch unterschiedlich aus: Im Gastgewerbe werden deutlich überdurchschnittliche Steigerungen erwartet, während die Branchen Industrie und Projektierung leicht über dem Durchschnitt liegen. Der Detailhandel, Grosshandel und Finanzsektor prognostizieren eine leicht unterdurchschnittliche Lohnentwicklung. Arbeitnehmende können dennoch branchenübergreifend mit Reallohngewinnen rechnen.
Diese Entwicklung erhöht den kostenseitigen Druck auf die Unternehmen weiter, was zu einer anhaltenden Konsolidierung des Personalbestandes führt. Die Personalplanung für die kommenden drei Monate gestaltet sich dabei unterschiedlich: Im Bausektor und in der Industrie plant eine Mehrheit der Betriebe, den Personalbestand zu reduzieren. Das Gastgewerbe, der Grosshandel, der Detailhandel sowie die Dienstleistungsunternehmen rechnen mit einem stabilen oder leicht wachsenden Personalbestand. Im Finanzsektor hingegen plant eine deutliche Mehrheit der Unternehmen, zusätzliche Stellen zu schaffen.
Für Fragen und Anmerkungen:
Yves Spühler | Leiter Wirtschaftspolitik und Ökonomie
Datengrundlage und Lesehilfe zu den Grafiken
Geschäftslageindikator:
Die in den Grafiken zur Geschäftslage (Grafik 1 und 2) verwendeten Daten beruhen auf der Unternehmensumfrage «Geschäftslageindikator» der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. In der Umfrage werden die Unternehmen gebeten, ihre Gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen. Sie können die Lage mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» bezeichnen. Der Saldowert der gegenwärtigen Geschäftslage ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «gut» und «schlecht». Die Grafik zeigt saisonbereinigte Werte der Zentralschweiz über die abgebildeten Wirtschaftsbereiche. Die Position in der Horizontalen weist die Einschätzung über die aktuelle Geschäftslage der Firmen aus, auf der Vertikalen wird die Differenz zur Befragung im Vorquartal angezeigt. Die Grösse der Kreise stellt die Wichtigkeit des Sektors in der Zentralschweiz dar, hier gemessen als Anteil der Beschäftigten.
Lesebeispiel Grafik 1:
Kommt eine Branche in den Quadranten 2 oder 3 zu liegen, ist der Anteil an Unternehmen, die die Geschäftslage als schlecht einschätzen grösser als der Anteil an Unternehmen, die die Geschäftslage als gut einschätzen. Branchen in den Quadranten 1 und 2 weisen eine Verbesserung der Geschäftslage im Vergleich zum Vorquartal auf, während sich Branchen im Quadranten 2 trotz Verbesserung im negativen Bereich befinden und Branchen im Quadranten 1 im Positiven Bereich.
Beschäftigungsindikator:
Die in den Grafik zur Beschäftigung (Grafik 3) verwendeten Daten beruhen auf der Unternehmensumfrage «Beschäftigungsindikator» der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. In der Umfrage werden die Unternehmen gebeten, ihren gegenwärtigen Bestand an Beschäftigten zu beurteilen und allfällige Veränderungen in den nächsten drei Monaten zu prognostizieren.
Ist der Wert des Indikators positiv, möchten mehr Unternehmen ihren Personalbestand aufbauen als abbauen. Bei einem Wert von Null ist der Anteil der Unternehmen, die Stellen abbauen möchten und Unternehmen, die Stellen schaffen möchten gleich gross.
Branchenzugehörigkeit:
Baugewerbe: Hochbau, Tiefbau und Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe (NOGA 41-43)
Industrie: Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren (NOGA 10-33)
Grosshandel: Grosshandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 46)
Detailhandel: Detailhandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 47)
Gastgewerbe: Beherbergung und Gastronomie (NOGA 55-56)
Finanzsektor: Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 64-65)
Projektierung: Architektur- und Ingenieurbüros (NOGA 71)
Verschiedene Dienstleistungen: Übrige Dienstleistungsbranchen ohne staatsnahe Branchen und Staatssektor, Verkehr und Lagerei (NOGA 49–53), Information und Kommunikation (NOGA 58–63), Grundstücks- und Wohnungswesen (NOGA 68), Erbringung von freiberufl., wissen. u. techn. Dienstl. (NOGA 69–75, ohne 71), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstl.(NOGA 77–82), Kunst, Unterhaltung und Erholung (NOGA 90–93)