IHZ-Quartalsanalyse Q2/2025: Unsicherheit wächst weiter

IHZ-Quartalsanalyse Q2/2025: Unsicherheit wächst weiter

US-Zölle verstärken die Unsicherheiten in der Zentralschweizer Wirtschaft. Insbesondere der Industriesektor und die Dienstleistungsbranche schauen pessimistischer auf die Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten. Der deflationäre Druck von importierten Gütern erhöht gleichzeitig den Druck auf die Margensituation.

Nach einer leicht verbesserten Wahrnehmung der Geschäftslage im Januar und im Februar 2025 schätzen Zentralschweizer Unternehmen die wirtschaftliche Situation wieder deutlich pessimistischer ein. Wird die stark negative Beurteilung der Geschäftslage im Dezember 2024 ausgeblendet, fällt der Saldowert auf den tiefsten Stand seit dem Coronajahr 2021. Die negative Entwicklung in den letzten drei Monaten ist vor allem auf den bedeutenden Dienstleistungssektor zurückzuführen. Aber auch im Verarbeitenden Gewerbe bleibt die lang ersehnte Erholung aus. Insgesamt steigt die allgemeine Unsicherheit auf hohem Niveau nochmals an und mögliche Negativszenarien bleiben plausibel. Die Wirtschaftsentwicklung auf den Weltmärkten und vor Allem auch im wichtigsten Export- und Importmarkt Deutschland ist nach wie vor schwierig zu prognostizieren. Zudem bleibt das Risiko für Eskalationen verschiedener internationaler Konflikte hoch. Letztlich verstärken Verwerfungen im internationalen Handel durch die Einführung und Androhung von Zöllen durch den US-Präsidenten Donald Trump diese unklare Situation signifikant. Unternehmen wissen gegenwärtig noch nicht, ob die exorbitant hohen Zölle auf Schweizer Exporte in die USA nach der spontanen Aussetzung ab dem 9. Juli 2025 tatsächlich eingeführt werden.

Gemäss der Befragung schätzen Zentralschweizer Unternehmen die Geschäftslage aber nach wie vor positiver ein als Unternehmen aus anderen Regionen. Auch im Bezug auf die Beschäftigungsentwicklung zeigen sich Zentralschweizer Unternehmen optimistischer. Während schweizweit der Anteil Unternehmen überwiegt, der mit einem Personalabbau rechnet, ist der Saldo in der Zentralschweiz nach wie vor positiv. Für einen möglichen Lichtblick sorgt darüber hinaus die optimistische Einschätzung des Grosshandels mit Produktionsgütern. Dieser Teilbereich des Grosshandels kann als Frühindikator für die Industrie interpretiert werden. 

Der Geschäftslageindikator basiert auf regelmässigen Unternehmensbefragungen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Die befragten Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als «gut», «befriedigend» oder «schlecht». Der Saldowert entspricht dem Prozentanteil «gut»-Antworten minus dem Prozentanteil «schlecht»-Antworten. Ist der Saldowert negativ, beurteilt eine Mehrheit der Unternehmen die Geschäftslage als schlecht gegenüber gut.

Unternehmen im Zentralschweizer Industriesektor schätzen die derzeitige Geschäftslage deutlich schlechter ein als drei Monate zuvor. Bereits im ersten Quartal wurde die wirtschaftliche Lage im Industriesektor verglichen mit allen anderen Branchen am pessimistischsten beurteilt. So erachtet mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen die gegenwärtige Geschäftslage als schlecht. Im vergangenen Dezember lag der Wert per Saldo kurzzeitig im positiven Bereich, zuvor war dies letztmals im Juni 2023 der Fall. Diese pessimistische Einschätzung spiegelt sich auch in den Zukunftsaussichten wider. Die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate werden deutlich nach unten korrigiert. Nachdem in den letzten Monaten stets eine Mehrheit der Unternehmen von einer leicht verbesserten zukünftigen Entwicklung ausging, prognostizieren sie für das nächste Halbjahr mehrheitlich eine stagnierende Entwicklung. Es zeigt sich eine Zurückhaltung beim Bestellungseingang und ein Rückgang der Nachfrage. Die Exporterwartungen gehen sowohl in der Herstellung von Vorprodukten, bei Investitionsgütern als auch bei Konsumgütern erwartungsgemäss zurück. Zentralschweizer Industrieunternehmen gehen dabei mehrheitlich von einem weiteren Beschäftigungsrückgang und von sinkenden Verkaufspreisen aus. Nach wie vor sind zahlreiche Betriebe in Kurzarbeit. Im Februar 2025 ist die Zahl betroffener Betriebe wieder deutlich auf 75 angestiegen.

 

Auch im Dienstleistungssektor trübt sich die Geschäftslage deutlich ein. Im Vergleich zu anderen Sektoren weist die Branche den zweitschlechtesten Saldowert auf. Die Kapazitätsauslastung nimmt zu Beginn des zweiten Quartals 2025 in allen Teilbereichen ab. Auch hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung sind Dienstleistungsunternehmen deutlich pessimistischer. Eine Mehrheit der Arbeitgeber geht davon aus, dass sich der Personalbestand in den nächsten drei Monaten weder vergrössert noch verkleinert. Der Quartalswert für die Beschäftigungsentwicklung fällt dabei auf den tiefsten Wert seit dem Beginn der Coronarestriktionen im April 2020.

Im Finanzsektor wird die Geschäftslage ebenfalls schlechter eingeschätzt als noch im Januar 2025. Finanz- und Versicherungsdienstleister berichten zwar über eine Stabilisierung der Ertragslage, insbesondere Banken sind aber eher skeptisch über die weitere Entwicklung. Sie rechnen mit einer tieferen Nachfrage im Kreditgeschäft und einer negativen Entwicklung im Kommissions- und Handelsgeschäft. Auch das Zinsgeschäft wird sich in nächster Zeit nicht positiv entwickeln.

Die Geschäftslage im Detailhandel verändert sich im Vergleich zum Vorquartal nicht. Insbesondere die Ertragslage ist unter Druck. Trotz zufriedenstellender Kundenfrequenz ist der Preisdruck nach wie vor hoch – insbesondere bei kleinen Unternehmen. Eine Mehrheit der Detailhandelsunternehmen geht nach wie vor von sinkenden Verkaufspreisen aus. Im Grosshandel hat sich die Geschäftslage im Konsumhandel binnen Quartalsfrist nicht verändert. Trotz der anhaltend schwierigen Situation im Verarbeitenden Gewerbe hellt sich die Lage aber insbesondere im Handel mit Produktionsgütern auf. In der gesamten Branche resultiert somit per Saldo ein deutlich höherer Wert als im Januar 2025.

Im Baugewerbe bleibt der Preisdruck hoch. Eine Mehrheit der Unternehmen rechnet mit weiteren Preisabschlägen in den nächsten sechs Monaten, was wiederum auf die Ertragslage und die Ertragserwartungen schlägt. Bauunternehmen erwarten jedoch mehrheitlich eine leicht positive Entwicklung in den nächsten sechs Monaten – insbesondere im Tiefbau. Ebenfalls planen Unternehmen im Bausektor eher ein Wachstum der Belegschaft als eine Personalreduktion. Im Projektierungssektor verbleibt die Einschätzung der Geschäftslage nach wie vor auf hohem Niveau, obwohl der Auftragshorizont wie auch die Bausummen eher abnehmen.
 

Am Ende des Artikels findet sich eine Lesehilfe zur Grafik

Preisdruck steigt, Inflation sinkt

Die Inflation hat sich weiter deutlich abgeschwächt. Im April 2025 stagnierte die Jahresteuerung bei 0,0% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Besonders auffällig ist, dass die Preise für importierte Güter seit April 2024 durchgehend eine negative Jahresteuerung aufweisen. Diese Importdeflation führt zu einem paradoxen Effekt: Während Verbraucher von sinkenden Preisen für ausländische Produkte profitieren, geraten inländische Produzenten unter verstärkten Wettbewerbsdruck. Sie müssen ihre Preise zunehmend an das niedrigere Niveau importierter Alternativen anpassen, können aber ihre eigenen, weiterhin inflationären Produktionskosten (insbesondere Löhne) nicht im gleichen Masse reduzieren. Diese Preisschere zwischen Verkaufspreisen und Produktionskosten verstärkt den Margendruck für Schweizer Unternehmen erheblich.

Als Reaktion darauf intensivieren die Unternehmen ihre Kostensenkungsmassnahmen, was sich unmittelbar auf die Beschäftigungserwartungen auswirkt. Zwar überwiegt noch knapp der Anteil an Unternehmen, die einen Personalzuwachs planen, gegenüber jenen, die Stellenabbau erwarten, doch hat sich dieser Unterschied im Laufe des letzten Quartals signifikant verringert. Besonders in der Industrie und im Detailhandel, die dem internationalen Wettbewerb am stärksten ausgesetzt sind, rechnen Unternehmen per Saldo mit einem Rückgang des Personalbestandes. 
 

Gleichzeitig rechnen Unternehmen diverser Branchen mit abnehmenden Verkaufspreisen im laufenden Quartal. Insbesondere im Detailhandel, im Finanzsektor, im Baugewerbe und in der Industrie könnten die Verkaufspreise gemäss Erwartungen der Unternehmen sinken. Unternehmen im übrigen Dienstleistungssektor, im Grosshandel und in der Projektierung prognostizieren mehrheitlich Preissteigerungen. Unternehmen im Gastgewerbe konnten die Preise wie auch die Löhne im letzten Jahr am deutlichsten erhöhen. Hier scheint die Obergrenze aber erreicht. Im April 2025 rechnen hier deutlich weniger Unternehmen mit steigenden Preisen als noch zu Beginn des Jahres. 

Für Fragen und Anmerkungen:

Yves Spühler | Leiter Wirtschaftspolitik und Ökonomie

Datengrundlage und Lesehilfe zu den Grafiken

Geschäftslageindikator:

Die in den Grafiken zur Geschäftslage (Grafik 1 und 2) verwendeten Daten beruhen auf der Unternehmensumfrage «Geschäftslageindikator» der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. In der Umfrage werden die Unternehmen gebeten, ihre Gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen. Sie können die Lage mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» bezeichnen. Der Saldowert der gegenwärtigen Geschäftslage ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «gut» und «schlecht». Die Grafik zeigt saisonbereinigte Werte der Zentralschweiz über die abgebildeten Wirtschaftsbereiche. Die Position in der Horizontalen weist die Einschätzung über die aktuelle Geschäftslage der Firmen aus, auf der Vertikalen wird die Differenz zur Befragung im Vorquartal angezeigt. Die Grösse der Kreise stellt die Wichtigkeit des Sektors in der Zentralschweiz dar, hier gemessen als Anteil der Beschäftigten.

Lesebeispiel Grafik 1:

Kommt eine Branche in den Quadranten 2 oder 3 zu liegen, ist der Anteil an Unternehmen, die die Geschäftslage als schlecht einschätzen grösser als der Anteil an Unternehmen, die die Geschäftslage als gut einschätzen. Branchen in den Quadranten 1 und 2 weisen eine Verbesserung der Geschäftslage im Vergleich zum Vorquartal auf, während sich Branchen im Quadranten 2 trotz Verbesserung im negativen Bereich befinden und Branchen im Quadranten 1 im Positiven Bereich. 

Beschäftigungsindikator:

Die in den Grafik zur Beschäftigung (Grafik 3) verwendeten Daten beruhen auf der Unternehmensumfrage «Beschäftigungsindikator» der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. In der Umfrage werden die Unternehmen gebeten, ihren gegenwärtigen Bestand an Beschäftigten zu beurteilen und allfällige Veränderungen in den nächsten drei Monaten zu prognostizieren.

Ist der Wert des Indikators positiv, möchten mehr Unternehmen ihren Personalbestand aufbauen als abbauen. Bei einem Wert von Null ist der Anteil der Unternehmen, die Stellen abbauen möchten und Unternehmen, die Stellen schaffen möchten gleich gross. 

Branchenzugehörigkeit:

Baugewerbe: Hochbau, Tiefbau und Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe (NOGA 41-43)

Industrie: Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren (NOGA 10-33)

Grosshandel: Grosshandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 46)

Detailhandel: Detailhandel ohne Handel mit Motorfahrzeugen (NOGA 47)

Gastgewerbe: Beherbergung und Gastronomie (NOGA 55-56)

Finanzsektor: Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 64-65)

Projektierung: Architektur- und Ingenieurbüros (NOGA 71)

Verschiedene Dienstleistungen: Übrige Dienstleistungsbranchen ohne staatsnahe Branchen und Staatssektor, Verkehr und Lagerei (NOGA 49–53), Information und Kommunikation (NOGA 58–63), Grundstücks- und Wohnungswesen (NOGA 68), Erbringung von freiberufl., wissen. u. techn. Dienstl. (NOGA 69–75, ohne 71), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstl.(NOGA 77–82), Kunst, Unterhaltung und Erholung (NOGA 90–93)

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