Rückblick 14. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Podium «Fokus Mensch»
Menschliche Kompetenzen sind gefragter denn je
Der Umgang mit KI-Systemen verlangt spezifische menschliche Fähigkeiten wie kritisches Denken.
Die Podiumsteilnehmer diskutierten aus der Perspektive von Bildung, Politik, Wirtschaft und Forschung über die Rolle des Menschen in einer technologiegeprägten Marktwirtschaft. Zum Abschluss teilten die vier Experten ihre persönlichen Schreckensszenarien und Wunschvorstellungen zur KI-Zukunft.
Zum Einstieg in die Diskussion schilderten die vier Teilnehmer ihre erste persönliche Erfahrung mit künstlicher Intelligenz. Das Erlebnis von SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter war besonders einprägsam: Bereits Anfang 2020 wurde er in einem chinesischen Restaurant vollständig KI-gestützt bedient. Von der Bestellung der Gerichte über den Service bis hin zur Rechnung kam dieses Restaurant ganz ohne menschliche Interaktion aus.
Auch in der Zentralschweizer Arbeitswelt ist die künstliche Intelligenz längst angekommen. Silvana Leasi, Personalchefin der Luzerner Kantonalbank, berichtete, wie die KI in der Personalrekrutierung unterstützt. Bei der LUKB habe sie zwar nach wie vor das Privileg, sämtliche Dossiers persönlich sichten zu können. Doch Algorithmen zur Vorselektion von Kandidaten sind in der Geschäftswelt längst kein Tabu mehr. Marisa Tschopp, Forscherin bei der Cybersicherheitsfirma scip AG, gab einen Einblick, wie breit Zentralschweizer Unternehmen KI-Modelle aktuell einsetzen: «Die Unternehmen befinden sich im explorativen Stadium», ordnet sie ein.
Kritisches Denken als Schlüsselkompetenz
Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass menschliche Fähigkeiten auch in Zukunft wichtig bleiben werden. Zur Einordnung und Validierung KI-generierter Inhalte brauche es Fähigkeiten wie kritisches Denken und Hinterfragen. Das Erlernen dieser Fähigkeiten hat inzwischen auch Eingang in den Lehrplan gefunden: «Neben den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen wird heute in der Grundschule eine vierte Kompetenz, die Medienkompetenz, vermittelt», erläuterte Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer. KI-Forscherin Marisa Tschopp machte klar, dass Kompetenz im Umgang mit KI sowie Fachkompetenz in der Berufswelt nach wie vor bedeutsam bleiben: «Aktuell muss der Mensch noch kompetenter sein als das Sprachmodell, um KI-erzeugte Inhalte einem seriösen Faktencheck unterziehen zu können.»
Gegen Ende des Podiums diskutierten die Teilnehmer über emotionale Aspekte in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Als Beispiele nannten sie Pflegeroboter und Roboter-Katzen, die in Altersheimen in Japan bereits flächendeckend zum Einsatz kommen. Die Frage nach der emotionalen Bindung zu einer KI polarisierte: Silvana Leasi war der Ansicht, dass die echte und direkte menschliche Interaktion, gerade im Personalwesen, auch längerfristig von hoher Bedeutung bleiben werde. Marisa Tschopp, die sich in ihrer Forschung mit der Beziehungsebene zwischen Menschen und Maschinen befasst, wies darauf hin, dass die Beziehung heute nicht mehr hierarchisch geprägt sei: «Mensch und Bot interagieren heute auf Augenhöhe», so Tschopp. Sie wies schliesslich auch auf mögliche negative Konsequenzen wie psychologische Abhängigkeit, Suchtverhalten oder den Verlust zwischenmenschlicher Fähigkeiten hin.
Schreckensbilder und Wunschszenarien der KI-Zukunft
Zum Abschluss teilten die Podiumsteilnehmer ihr persönliches Horror- und Wunschszenario für die KI-Entwicklung. Silvana Leasi fürchtete eine dominante Superintelligenz, Franz Grüter ortete die grösste Gefahr in einer robotergesteuerten Kriegsführung, Marisa Tschopp warnte vor einem «Black Mirror» Szenario, bei dem Menschen ausschliesslich mit KI interagieren und Dagmar Rösler sorgte sich vor einer Zukunft, in der Kinder nur noch in der virtuellen Welt Erfahrungen sammeln. Mit Blick auf das Wunschbild zeigte sich Einigkeit: KI soll Menschen in ihrer Arbeit und in der sozialen Interaktion unterstützen.
Ganz Unternehmer fügte Franz Grüter schmunzelnd an, der KI-Boom sei generell ein Wunschszenario für ihn – schliesslich benötigen KI-Anwendungen hohe Rechenkapazitäten, die seine green.ch-Rechenzentren zur Verfügung stellen.
Key Take-Away
- Menschliche Fähigkeiten wie kritisches Denken und der kompetente Umgang mit KI-Systemen bleiben zentral für die Arbeits- und Bildungswelt.
- Zentralschweizer Unternehmen nutzen KI-Systeme bereits in verschiedenen betrieblichen Prozessen – sie befinden sich in der Phase der Exploration.
- Neben den drei Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen wird in der Grundschule zunehmend die Medienkompetenz gefördert.
- Mögliche Schattenseiten der KI mit Blick auf den Menschen sind der Verlust sozialer Fähigkeiten, emotionale und psychische Abhängigkeit sowie Suchtverhalten.
Referenten
- Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz
- Franz Grüter, Nationalrat Luzern, VRP green.ch
- Marisa Tschopp, Researcher scip AG
- Silvana Leasi, Leiterin Personal Luzerner Kantonalbank AG
- Moderation: Dario Pelosi, Wirtschaftsredaktor Radio SRF
Publikation «Spezial» zum 14. Zentralschweizer Wirtschaftsforum (PDF)