Rückblick 14. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Schlussgespräch
Wer zu viel reguliert, verliert den Anschluss
Bundesrat Guy Parmelin über die Rolle des Staates in der KI-Regulierung.
Als kleines Land ohne eigene Rohstoffe ist die Schweiz auf hohe Innovationskraft und stabile Aussenbeziehungen angewiesen. Im Schlussgespräch ging Wirtschaftsminister Guy Parmelin auf die Rolle des Staates in der KI-Regulierung ein und brach eine Lanze für den Ausbau der Schweizer Handelsbeziehungen.
Zum Einstieg in das Abschlussgespräch fragte Moderator Michael Rauchenstein den heutigen SVP-Bundesrat und ehemaligen Winzer, Guy Parmelin, nach KI-Anwendungen im Rebbau. Tatsächlich gebe es auch hier KI-Systeme, die Empfehlungen formulieren zum optimalen Zeitpunkt und zur Dosierung von Pflanzenschutzmitteln, so der Bundesrat. Die aktuelle Saison zeige jedoch, dass die Erfahrung der Weinbauern nach wie vor gefragt sei. «Wer sich diese Saisons allein auf KI-Tools verlassen hatte, droht bei der Ernte leer auszugehen.»
USA versus China – und die EU mimt den Schiedsrichter
Gefragt nach der Rolle des Staates in der KI-Regulierung antwortete der Vorsteher des Wirtschaftsdepartements mit einer Analogie zum Fussball: Zwei Teams stehen sich aktuell gegenüber, die USA und China. Beide möchten mit voller Kraft aufs gegnerische Tor stürmen und siegen. Die Europäische Union agiert als Schiedsrichter, sie kümmert sich um die Regulierung und erlässt sperrige Rechtsakte wie das Europäische Gesetz über künstliche Intelligenz (AI Act). Noch ist das Spiel zwischen China und den USA nicht entschieden, nur eines steht fest: «Der Schiedsrichter gewinnt nie.»
Für die Schweiz verortete Bundesrat Parmelin durchaus Chancen im vorderhand abwartenden Verhalten. Statt mit Regulierung vorauszueilen, sollte die Schweiz erst Erfahrungen im Umgang mit KI sammeln und dann regulatorisch dort ansetzen, wo sich Herausforderungen zeigen. Als positives Beispiel nannte er die Blockchain-Regulierung, bei der sich die Schweiz durch einen dynamischen, modernen Regulierungsrahmen auszeichnet, der Innovation fördert und in dem sich das Potenzial der Technologie entfalten kann.
«Die Schweizer Bevölkerung ist sehr sensibel bei ethischen Fragen im Zusammenhang mit KI», so Bundesrat Parmelin. Das Bundesamt für Kommunikation BAKOM und der Eidgenössische Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger erarbeiten diesbezüglich zurzeit Empfehlungen. Der Bundesrat wird dazu Stellung nehmen. Das sei ganz in seinem Sinne, bestätigte Parmelin, schliesslich sei Adrian Lobsiger mit Blick auf den Datenschutz «le gardien du temple», der oberste Tempelwächter.
Stabile Handelsbeziehungen als Voraussetzung für Innovation
Stabile Beziehungen zu den europäischen Nachbarstaaten sind eine wichtige Voraussetzung, damit Schweizer Unternehmen das Potenzial innovativer Technologien wie der künstlichen Intelligenz ausschöpfen können. Die laufenden Verhandlungen mit der EU machen Fortschritte, doch es bleiben offene Punkte, die es in den nächsten Monaten zu klären gilt. Als offene Fragen erwähnte Parmelin die Steuerung der Zuwanderung und den Lohnschutz, derweil andere Streitpunkte, wie etwa die Frage nach staatlichen Beihilfen, inzwischen weitestgehend geklärt werden konnten. Die Beziehungen zu den USA sind neben denjenigen zur EU ebenso entscheidend für eine prosperierende, innovative Schweizer Wirtschaft. Die Chancen für ein Freihandelsabkommen mit den USA erachtet der Wirtschaftsminister aktuell als gering, doch sektorielle Abkommen seien durchaus denkbar. Generell ortet Guy Parmelin in den Beziehungen zu den USA noch Potenzial zur Weiterentwicklung. Doch erst gelte es die Wahlen Anfang November abzuwarten, die für die Beziehung Schweiz-USA ebenso richtungsweisend sein werden wie für die Weiterentwicklung der amerikanischen KI-Regulierung.
Handelsbeziehungen zu Indien gestärkt
Mit Indien konnte unlängst ein Freihandelsabkommen mit einem aufstrebenden BRIC-Staat abgeschlossen werden, das – sofern die Referendumsfrist ungenutzt verstreicht – bald Wirkung zeigen und die Schweizer Wirtschaft weiter diversifizieren wird. Parmelin verwies auf die enorm grosse, junge und dynamische Bevölkerung Indiens, die das Land sowohl als Absatz- wie auch als Beschaffungsmarkt interessant macht.
Zum Abschluss fragte Michael Rauchenstein nach dem technologieaffinsten Bundesratsmitglied. Parmelin zögerte kurz und räumte mit einem Lächeln ein, er selbst sei es jedenfalls nicht.
Key Take-Away
- In der KI-Regulierung soll die Schweiz einen Bottom-up Ansatz verfolgen; staatliche Regulierung darf Innovation auf keinen Fall hemmen.
- Regulierung soll konkrete Probleme adressieren und da ansetzen, wo sich Herausforderungen zeigen – keine vorauseilende Überregulierung.
- Die USA und China liefern sich ein Kopf-an-Kopf Rennen um die Führerschaft im Bereich KI; die EU spielt dabei die Rolle des Schiedsrichters.
- Stabile Beziehungen zu unseren wichtigsten Handelspartnern (EU, USA) sind zentral für eine gesunde und innovative Schweizer Wirtschaft.
Publikation «Spezial» zum 14. Zentralschweizer Wirtschaftsforum (PDF)