Steuerliche Fallstricke des Homeoffice

Steuerliche Fallstricke des Homeoffice

Martin Zemp (Leiter EY Luzern, Associate Partner Steuern) und Markus Kaempf (Associate Partner People Advisory Services) nehmen Stellung.

Weltweit stellen sich deshalb Unternehmen die Frage, ob die dezentrale Arbeitstätigkeit ihrer Arbeitnehmenden beispielsweise das Risiko der Begründung einer Betriebsstätte birgt oder welche sozialversicherungsrechtlichen Themen zu beachten sind, wenn vermehrt von Zuhause aus gearbeitet wird. Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ hat mit Martin Zemp (Leiter EY Luzern, Associate Partner Steuern) und Markus Kaempf (Associate Partner People Advisory Services) geklärt, welche Punkte Unternehmen und Mitarbeitende bei dezentralen Arbeitsmodellen beachten sollten.
(Martin Zemp = MZ; Markus Kaempf = MK)

Herr Zemp, viele Angestellte und auch Arbeitgebende haben das Homeoffice schätzen gelernt. Können Arbeitgebende aus unternehmenssteuerlicher Sicht ohne Auswirkungen auf Homeoffice umstellen?
MZ: Grundsätzlich ist das Unternehmen an denjenigen Orten steuerpflichtig, an welchen es seine Geschäftstätigkeit in einer festen Einrichtung ganz oder teilweise ausübt. An diesen Orten kann ein Unternehmen eine sogenannte Betriebsstätte begründen. Die Frage, die sich stellt, ist, ob durch die Homeoffice-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet wird oder nicht.
Es gilt hier verschiedene Fälle zu unterscheiden. Der ausnahmsweise und zeitlich beschränkte Wechsel des Beschäftigungsorts von Angestellten während der Covid-19 Situation sollte zu keiner Betriebstätte führen. In diesem Falle ist die Tätigkeit von Zuhause zeitlich beschränkt. Zudem hatte der Bundesrat die Arbeitgebenden im Januar 2021 verpflichtet, überall dort Homeoffice anzuordnen, wo es möglich und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist. Bereits zuvor galt für eine geraume Zeit eine Homeoffice Empfehlung, welche durch viele Unternehmen zum Teil bereits seit März 2020 durchgehend umgesetzt wurde.


Auch unter Ausklammerung der Covid-19-Pandemie sollte der regelmässige Wechsel von Homeoffice und Büroarbeit aus unserer Sicht nicht zu einer Homeoffice-Betriebsstätte führen. Zudem wäre es wünschenswert, dass eine Homeoffice-Betriebsstätte von den Steuerbehörden nur äusserst zurückhaltend angenommen wird. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die Tätigkeiten im Homeoffice auch in Zukunft teilweise beibehalten werden und somit die reine Masse an potenziellen Überprüfungen, ob eine Betriebsstätte vorliegt, sehr viele Ressourcen bei den Steuerbehörden binden würde. Aber auch die Unternehmen würden durch die Überprüfungen zusätzlich belastet. Zudem würde eine sehr aggressive Anwendung durch die Steuerbehörden zu grossen administrativen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Gewinnaufteilung von Unternehmen führen – dies sollte sowohl aus Sicht der Verwaltung als auch der Unternehmen vermieden werden.


Deshalb gehen wir für das innerschweizerische Verhältnis, insbesondere wenn keine Dauerhaftigkeit besteht, nicht davon aus, dass Homeoffice zu einer Häufung von Betriebsstätten führt. Allerdings muss immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden und es gilt insbesondere auch für die Mitarbeitenden und Unternehmen mit Augenmass zu agieren. Sofern Arbeitgebende Homeoffice verordnen sollten und allenfalls Kosten übernommen werden oder Arbeitnehmende langfristig Homeoffice aus der Ferienwohnung betreiben, ist nicht auszuschliessen, dass es zu einzelnen Überprüfungen kommt und sich in Zukunft auch vermehrt Gerichte mit solchen Fällen beschäftigen müssen.

Sie haben das innerschweizerische Verhältnis angesprochen. Was gibt es im internationalen Verhältnis zu beachten?
MZ: Vorab erlaube ich mir die Bemerkung, dass wohl im internationalen Kontext ein grösseres Risiko besteht, eine Betriebsstätte zu begründen als im interkantonalen Kontext, nicht zuletzt aufgrund der grossen Steuersatzunterschiede.


Im internationalen Kontext müssen immer zwei Ebenen betrachtet werden. Zum einen, ob und unter welchen Umständen das ausländische Recht eine Betriebsstätte vorsieht, wenn im Homeoffice gearbeitet wird. Die zweite Ebene ist, ob das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und dem jeweiligen Land dem anderen Land eine Besteuerungskompetenz zuweist, sofern diese geltend gemacht wird.

Wie lassen sich die Normen in den Doppelbesteuerungsabkommen charakterisieren?
MZ: Jedes Doppelbesteuerungsabkommen ist individuell. Die Doppelbesteuerungsabkommen orientieren sich in der Regel aber am OECD-Musterabkommen (OECD-MA). Art. 5 OECD-MA enthält eine Legaldefinition des internationalen Betriebsstättenbegriffs. Demnach wird eine Betriebsstätte durch eine «feste Geschäftseinrichtung» begründet. Gemäss Sicht der OECD kann eine feste Geschäftseinrichtung und somit auch eine Homeoffice-Betriebsstätte durchaus vorliegen, sofern das Homeoffice regelmässig und dauerhaft im Hinblick auf eine Unternehmenstätigkeit genutzt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Verrichtung der Arbeit im Eigenheim des Arbeitnehmers auf Verlangen des Arbeitgebenden erfolgt.


Wenn also Arbeitnehmende länderübergreifend von zu Hause aus tätig sein sollen/wollen, sollte dies unbedingt mit dem Arbeitgebenden abgesprochen werden damit dieser das Risiko einer Betriebsstättenbegründung vorab prüfen kann.

Was müssen Arbeitgebende beachten, die Mitarbeitende im Homeoffice beschäftigen und welche zusätzlichen Verpflichtungen können sich für 2020 und 2021 ergeben?

MK: Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und den Lockerungen über den Sommer haben Bund und Kantone mit der zweiten Welle zum Teil unterschiedliche Massnahmen getroffen und diverse Empfehlungen abgegeben. Diese haben nicht nur Auswirkungen auf betroffene Arbeitnehmende im Homeoffice, sondern auch auf die Pflichten der Arbeitgebenden. Insbesondere in Bezug auf Bescheinigungspflichten, aber auch in Bezug auf die Abführung der Sozialversicherung, welche eine Obliegenheit des Arbeitgebenden darstellt.

Für alle Arbeitgebenden gilt, dass die Massnahmen in Bezug auf Corona keinen Einfluss auf die Deklaration des Privatanteils Geschäftswagen sowie auf die Mahlzeitenvergünstigung im Lohnausweis 2020 hat. Hingegen ist es Empfehlenswert die sogenannte FABI-Aufrechnung für den Gebrauch des Geschäftswagens für das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort genauer unter die Lupe zu nehmen, denn hier können Steuerpflichtige unter Umständen viel Steuern einsparen. Der Arbeitgebende sollte nebst dem Aussendienstanteil auch die Homeoffice-Tage auf dem Lohnausweis vermerken, sodass diese Tage nicht für die FABI-Aufrechnung berücksichtigt werden müssen. Gegebenenfalls notwendige Anpassungen der Abzüge sind von Arbeitnehmenden in der privaten Steuererklärung vorzunehmen. Wie sich die anhaltende Homeoffice Pflicht auf die Bescheinigungspflichten 2021 auswirken wird, ist zurzeit noch nicht abschliessend geklärt. Es ist aber zu erwarten, dass keine fundamentalen Änderungen stattfinden werden, sollte der Lockdown im Laufe der kommenden Monate beendet werden, da der administrative Mehraufwand die minimalen potentiellen Mehreinnahmen nicht rechtfertigt. Jegliche Zusatzleistungen, welche in Bezug auf Corona bedingtes Homeoffice ausgerichtet wurden, sind aber im Lohnausweis als Lohn oder geldwerte Leistung aufzurechnen. Die genaue Deklaration ergibt sich wie für alle Leistungen aus der Wegleitung zum Lohnausweis der ESTV.

Für Arbeitgebende mit Mitarbeitenden im internationalen Homeoffice (Grenzgänger/innen und Wochenpendler/innen) gelten zusätzlich eventuell noch weiterführende Bescheinigungspflichten. Zum Beispiel im Verhältnis zu Deutschland wo der Reisekalender visiert werden muss und eine eventuelle Schliessung der Büroräumlichkeiten ausserhalb des ersten Lockdowns und vor der neuerlichen Homeoffice Pflicht per Januar 2021 nachgewiesen werden muss.

Des Weiteren gilt es die Sozialversicherungsunterstellung der Mitarbeitenden zu prüfen. Mit den EU/EFTA Staaten hat die Schweiz eine flexible Handhabung vereinbart, diese ist zunächst bis zum 30. Juni 2021 gültig und kann pandemiebedingt verlängert werden. Dies bedeutet, dass Corona-bedingte Heimarbeitstage in den betreffenden Ländern «unschädlich» sind und nicht zu einer Neuunterstellung im Wohnsitzstaat führen. Für Betriebe mit Mitarbeitenden ausserhalb des EU/EFTA Raumes bzw. Drittstaatenangehörigen auch innerhalb der EU/EFTA, die sich während der Pandemie im Heimatland aufgehalten und dort im Homeoffice gearbeitet haben, empfiehlt sich eine Einzelfallprüfung. Dies gilt vor allem auch für freiwillige Heimarbeitstage, da hier die Ausnahmeregeln grundsätzlich nicht greifen werden und eine ausländische Sozialversicherungspflicht unter Umständen für den Arbeitgebenden und den Arbeitnehmenden zu massiven Mehrkosten führen kann.

In Konstellationen, wo der Arbeitnehmende aufgrund der ausländischen Heimarbeitstage eine Steuerpflicht begründet – aufgrund dessen Tätigkeit (s. Betriebsstätte) oder aber auch aufgrund der Dauer – muss der Schweizer Arbeitgebende dringendst auch allfällige ausländische Arbeitgebendenverpflichtungen überprüfen.

Und was müssen Arbeitnehmende im Homeoffice beachten?

MK: Die wohl drängendste Frage für die meisten Mitarbeitenden mit steuerlichem Wohnsitz in der Schweiz ist die Geltendmachung bestimmter Abzüge, vor allem der Berufskosten, in der Steuererklärung 2020. Die meisten Kantone habe hierzu bereits FAQ Dokumente auf den kantonalen Homepages aufgeschaltet, die alle Fragen für den jeweiligen Wohnsitzkanton beantworten. Für die meisten Innerschweizer Kantone sehen wir, dass aus verfahrensökonomischen Gründen keine signifikanten Änderungen vorgenommen wurden und z.B. Pauschalen weiter für das gesamte Jahr geltend gemacht werden können, auch wenn Arbeitnehmende den überwiegenden Teil des Jahres im Homeoffice waren.

Aber auch im internationalen Kontext stellt sich die Frage nach einer potenziellen Verlegung der Steuerpflicht ins Ausland. Für die direkt angrenzenden Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien und Liechtenstein) hat die Schweiz ergänzende Vereinbarungen zu den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die für das Steuerjahr 2020 und bis auf Weiteres (Deutschland) bzw. bis 30. Juni 2021 (Frankreich) festlegen, dass keine Änderung der steuerlichen Situation stattfinden soll. Für Wochenpendler/innen aus anderen EU/EFTA Staaten sowie aus Drittländern, mit denen die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen hat, gilt die Steuerpflicht gemäss Doppelbesteuerungsabkommen in Verbindung mit den jeweiligen lokalen Gesetzen, was für einige Wochenpendler/innen zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen kann.

Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht gilt, die bereits oben erwähnte flexible Handhabung innerhalb der EU/EFTA. Mitarbeitende mit Wohnsitz ausserhalb der EU/EFTA Staaten und Drittstaatenangehörigen innerhalb der EU/EFTA ist eine genauere Überprüfung der eigenen Sozialversicherungsdeckung empfohlen, um im Versicherungsfall Deckungslücken zu vermeiden.

Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass längere Aufenthalte ausserhalb der Schweiz für Nicht-Schweizer/innen auch eine Auswirkung auf den Bewilligungsstatus haben können. In der Regel gilt für Inhaber/innen einer Arbeits- (B) sowie einer Niederlassungsbewilligung (C), dass Sie sich maximal für 6 Monate / Jahr ausserhalb des Landes aufhalten dürfen. Für andere Bewilligungsarten können abweichende Zeiträume gelten. Für Inhaber/innen einer Grenzgängerbewilligung gelten je nach Kanton bestimmte mindest- und maximal Aufenthaltstage. Es ist zu erwarten, dass dort wo pandemiebedingt Reisebeschränkungen galten oder noch immer in Kraft sind die Behörden keine Schritte zur Entziehung der Bewilligung einleiten werden, auch wenn die notwendige Aufenthaltsdauer unterschritten wurde. Nach Beendigung der pandemiebedingten Massnahmen ist aber eine Wiederherstellung des vorherigen Aufenthalts- beziehungsweise Reiseturnus empfehlenswert.

Welche Punkte sollten Arbeitgebenden sonst noch besonders beachten, wenn Mitarbeitende den Wunsch äussern, regelmässig oder für längere Perioden im Ausland zu arbeiten?

MK: Grundsätzlich ist es ratsam in jedem Fall den Wunsch im Detail in Bezug auf Steuern, Sozialversicherung, Arbeitsbewilligung und Betriebstättenrisiko zu analysieren. Des Weiteren ist es auch ratsam, dass Arbeitgebenden einheitlich geltende Richtlinien formulieren, wie solche Wünsche der Arbeitnehmenden gehandhabt werden. Eine solche Richtlinie sollte im Einklang mit den Bedürfnissen des Unternehmens als auch der Arbeitnehmenden (Stichwort Arbeitgebendenattraktivität) stehen und das Risiko unerwünschter finanzieller und administrativer Nebeneffekten im Vornherein minimieren. Wichtig ist ebenfalls, dass der Arbeitgebende zu jederzeit genau weiss, welche Mitarbeiter/innen mit welchen Funktionen an welchem Ort, wie oft im in- oder ausländischen Homeoffice arbeiten und welche Tätigkeiten sie dort ausüben.

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