Zentralinfo 01/2022 «Geschwindigkeit»

Zentralinfo 01/2022 «Geschwindigkeit»

«Wenn Zeit Geld ist, dann ist Geschwindigkeit Macht.» Mit diesem Zitat verdeutlicht der französische Philosoph Paul Virilio die unterschätzte Bedeutung von Geschwindigkeit in der Menschheitsgeschichte.

Geschwindigkeit prägt seit jeher unsere Gesellschaft. Wir suchen stetig nach neuen Möglichkeiten, unsere Mobilität zu erhöhen und schneller von A nach B zu gelangen. Die bisherige Erfolgsgeschichte der Beschleunigung reicht vom Schubkarren über die Pferdekutsche und die Eisenbahn bis zum Überschalljet. Auch im Sport gewinnt oft die oder der Schnellste; Geschwindigkeit entscheidet über Sieg oder Niederlage. In der Wirtschaft wiederum ist Geschwindigkeit ein markanter Wettbewerbsvorteil. Wer in der Lage ist, Entwicklungen zu antizipieren, neue Technologien zu integrieren und Geschäftsmodelle zu adaptieren, wird sich gegen Mitbewerbende behaupten, diese verdrängen und prosperieren. Fortschritt steht im direkten Zusammenhang mit Geschwindigkeit.

Sind Beschleunigung und Geschwindigkeit demnach unser Schlüssel in eine verheissungsvolle, nachhaltige Zukunft? Ziehen wir den zitierten Philosophen Paul Virilio hinzu, bröckelt die Fassade eines unreflektierten Beschleunigungswahns. Er sprach in seinen Arbeiten davon, dass es sich bei der Menschheitsgeschichte um eine «Beschleunigungsgeschichte» handelt, mit der gleichzeitig die Gefahr eines Stillstandes einhergehe. Virilio nannte dieses paradoxe Phänomen «rasenden Stillstand». Als Beispiele nannte er die Telekommunikation. Wir verfügen über unzählige technische Möglichkeiten und Kanäle, um miteinander zu kommunizieren. Wirklich erreichbar sind wir immer weniger, die Zeit für vertieften Austausch wird immer knapper. Kritisch auch sein Blick auf die Mobilität: Wir verfügen über immer mehr Angebote und stehen trotzdem im Stau. Gleiches gilt für die rasende Beschleunigung der Informationstechnologien. Auf unzähligen Kanälen stehen uns in Echtzeit Neuigkeiten aus der ganzen Welt zur Verfügung. Wir sind ohne gesellschaftlichen Diskurs in Geiselhaft von beliebigen Hypes, Reflexen und Ängsten. Dies in Dauerschlaufe, ohne tatsächlichen Fortschritt und unfähig zu Reformen. Rasender Stillstand.

Diese Thesen scheinen sich auch in der Coronakrise zu widerspiegeln. Nach der Rationalität des 21. Jahrhunderts hat uns ein Virus in den vergangenen Monaten aufgezeigt, wie sehr uns diese paradoxe Entwicklung aufgrund unserer «Beschleunigungsgeschichte » im Griff hat. Die Krise hat vielerorts ein grosses Ausmass an Angst, Stillstand und Depression ausgelöst. Vernunft, Erneuerung und nachhaltiger Fortschritt haben einen schweren Stand gegen eine Verwaltung der Angst, die ihrerseits zu nichts führt. Rasender Stillstand.

Grund genug, dem janusköpfigen Phänomen Geschwindigkeit eine «zentralinfo»-Ausgabe zu widmen. Welche Bedeutung hat Geschwindigkeit für Sie? Was braucht es, um den Zustand des rasenden Stillstandes zu beenden? Machen Sie sich ein Bild beim Lesen der aktuellen «zentralinfo»-Ausgabe. Viel Vergnügen!
 
Adrian Derungs, Direktor IHZ 

 

Kategorien

Ähnliche News