
Zentralinfo 01/2025 «Kommunikation»: Politische Kommunikation ist keine Einbahnstrasse
Simpel und klar – das ist der Anspruch an die politische Kommunikation. Aber noch viel wichtiger ist das Vertrauen: Dem Volk darf in einer Demokratie ruhig eine vielschichtige Diskussion zugemutet werden.
Vor Kurzem traf ich mich mit dem litauischen Botschafter Darius Semaška in Bern, um über die sicherheitspolitische Lage in Europa zu diskutieren. Er fragte mich: „Ich bewundere Ihr direktdemokratisches System – aber wie können Sie in der Schweiz glauben, dass die Bevölkerung politische Sachgeschäfte einer Abstimmung wirklich gut genug beurteilen kann, um zu entscheiden? Die involvierten Politiker wissen doch viel mehr darüber als die Bevölkerung, die mit ihrem eigenen Alltag beschäftigt ist.“
Volksvertrauen
Seine Frage erwischte mich eiskalt. Aber bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, hörte ich mich sagen: „Weil wir dem Volk vertrauen!“, und schob nach: „Schauen Sie doch nach Deutschland und Frankreich: Die Menschen wollen ernsthaft mitreden und nicht nur für die Galerie abstimmen. Mitreden können sie in der Schweiz in einem politischen Geschäft jederzeit.“ Meine Antwort überraschte ihn – und auch mich selbst.
Woher kommt diese innere Überzeugung, dass die direkte Demokratie die schlechteste aller Staatsformen ist – außer allen anderen? Denn die direkte Demokratie ist nicht berechenbar, langsam und manchmal sehr mühsam. Und was hat diese Überzeugung mit politischer Kommunikation zu tun?
Wörtchenpolizei
Bürgerinnen und Bürger als mündig zu betrachten, steht am Ausgangspunkt dieser Einstellung. Dazu gehört vielleicht auch, im privaten Kreis einmal einen Gedanken formulieren zu dürfen, der nicht ganz politisch korrekt ist – um daraufhin genau darüber zu diskutieren, warum er nicht politisch korrekt ist. Oder weshalb er es früher einmal war. Und weiter gehört dazu, dass wir als Politiker hinhören und nicht belehren. Denn die Sprache ist etwas sehr Persönliches, Emotionales.
In einer Gruppe einen Gedanken zu formulieren, der vielleicht nicht gut ankommt oder falsch verstanden wird – das braucht irgendwie Mut. Auch im kleinen Kreis, in diesem Meinungslabor beim Abendessen mit Freunden zum Beispiel.
Wenn die Politik nun in die Sprache eingreift, ist das ein Eingriff ins Privatleben. Nicht von Gesetzes wegen, sondern einfach im kollektiven Gefühl. Sprache ist etwas, wo jeder und jede mitreden kann – man ist ihrer mächtig. Die eigene Sprache ist mit Herkunft, mit Kindheit verbunden. Denn nicht nur, was zuhause gegessen wurde, ist prägend – auch wie zuhause gesprochen wurde, schafft Identität und Verbundenheit mit anderen, welche dieselbe Sprache sprechen.
Wenn nun der Staat auf einmal sagen würde, dass „Mohrenkopf“ ein Schimpfwort ist, dann wird ein großer Teil der Bevölkerung verunsichert. Ein vertrauter Begriff, verbunden mit schönen Erinnerungen an Kindergeburtstage mit dem „Mohrenkopfspiel“, soll auf einmal etwas Bösartiges sein? Waren wir als Kinder Rassisten und wussten es nicht? Und unsere Eltern?
C’est le ton, qui fait la musique
Auf einen Schlag wird die Bevölkerung nicht mehr als mündig betrachtet, verunsichert und von einer akademisch-politischen Elite als Pöbel erkannt. Wer nachfragt, was sich denn auf einmal an diesem Begriff geändert haben soll, wird mit hochgezogener Augenbraue als hinterwäldlerischer Banause abgestempelt. Dieses beklemmende, ja beschämende Gefühl stellt sich ein. Aber ja, was hat sich denn auf einmal an diesem Begriff geändert? Wissen Sie es?
Und hier liegt der Schlüssel zur erfolgreichen politischen Kommunikation: Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger von der Politik nicht mehr ernst genommen fühlen, ihre Verunsicherungen und Ängste nicht aufgenommen, sondern lächerlich gemacht werden, dann scheitert die Politik. Nicht nur in ihrer Kommunikation. Diese bittere Erfahrung machen unsere Nachbarländer gerade haufenweise.
Autor
Nationalrat Heinz Theiler, Präsident Kantonal-Schwyzerischer Gewerbeverband und Carrosserie-Unternehmer
Zur Bildwelt des Magazins:
Im Zentrum der Zentralinfo-Ausgabe 01/25 steht das Thema «Kommunikation». Kommunikation ist die Kunst der Verständigung. Dazu nutzen wir sprachliche Werkzeuge wie die Stimme, Gesten oder die Schrift. Professionelle Kommunikationsarbeit setzt diese Werkzeuge strategisch ein, um die Aufmerksamkeit zu verstärken und ihre Wirkung zu maximieren. Die Bildreihe dieser zentralinfo-Ausgabe schlägt eine sinnbildliche Brücke zwischen den Mitteln der strategischen Kommunikation und den dazu passenden Satzzeichen.