
Zentralinfo 01/2025 «Kommunikation»: Strategie schlägt Bauchgefühl
Kampagnen gehören zum Standardrepertoire der politischen Kommunikation. Häufig entwickeln Dachverbände die Strategien, während lokale und regionale Unterverbände für die Umsetzung verantwortlich sind – ein Ansatz mit Stolpersteinen.
Die strategische Kommunikation von Interessenverbänden der Wirtschaft ist bisher grösstenteils unerforscht. Deshalb habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit empirisch untersucht, wie lokale und regionale Bauern- und Wirtschaftsverbände die dachverbandsübergreifende Kampagne «Perspektive Schweiz» kommunikativ gehandhabt haben, und Handlungsempfehlungen für zukünftige Kampagnen ausgearbeitet.
Profil schärfen, Glaubwürdigkeit wahren
Lokale und regionale Unterverbände begrüssten den Top-down-Ansatz der Kampagne mehrheitlich. Besonders kleine Verbände profitieren von fertig aufbereiteten Inhalten der Dachverbände. Dies schont die beschränkten Ressourcen. Dennoch wurde die Kampagne sehr zurückhaltend oder gar nicht umgesetzt. Ein Hauptgrund war die Sorge vor einem Glaubwürdigkeits- oder Vertrauensverlust gegenüber den Mitgliedern. Die Möglichkeit, Botschaften und Kommunikationsmittel zu individualisieren, war für die befragten Unterverbände einer der wichtigsten Aspekte überhaupt. Jedoch hatten sie keinen Einfluss auf die Rhetorik und Tonalität anderer Verbände. Sie erachteten deshalb das Potenzial als hoch, sich von Äusserungen anderer distanzieren zu müssen. Es ist eine Frage der eigenen Kommunikationsstrategie: Erregt man mit pointierten Positionen Aufmerksamkeit und riskiert dabei Widerstand – oder nimmt man mit vagen Aussagen in Kauf, an Profil zu verlieren? Für Verbände ohne versierte Kommunikationsressourcen ist es besonders schwierig, sich dieses Dilemmas professionell anzunehmen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Verbänden könnte dabei helfen und wurde von der Kampagnenleitung angestrebt. Politische Differenzen und unterschiedliche Professionalitätsniveaus der Verbände haben eine engere Zusammenarbeit für die Umsetzung der Kampagne grossmehrheitlich verunmöglicht.
Priorisieren statt Verzetteln
Die Kommunikationsressourcen der Unterverbände sind knapp, die Themen zahlreich. Eine zusätzliche Top-down-Kampagne erhöht die Komplexität der Kommunikationsarbeit signifikant. Welche Inhalte werden aktiv kommuniziert? Bei welchen Arbeiten agiert man im Hintergrund? Welche Themen werden nicht aufgegriffen? Eine herausfordernde Selektionsarbeit, die Fingerspitzengefühl erfordert. Verbände bewegen sich im Spannungsfeld zwischen externen Einflüssen wie pluralisierenden Mitgliederinteressen und der Notwendigkeit, sich auf weniger, aber relevante Themen zu konzentrieren. Dafür braucht es jedoch Ressourcen und klare Strategien – beides ist oft Mangelware.
Verbände müssen sich darüber im Klaren sein, wen sie repräsentieren und wie.
Professionalität steigern, diffuses Bild vermeiden
Die Professionalität der Verbandskommunikation variiert stark. Die kommunikative Umsetzung der Kampagne «Perspektive Schweiz» erfolgte bei der Mehrheit «nach Gefühl». Weniger als die Hälfte der befragten Verbände hat eine Kommunikationsleitung, und nur eine Minderheit arbeitet mit einem Kommunikationskonzept. Liegt eines vor, wird es selten konsultiert. Das widerspricht dem Ansatz einer integrierten Kommunikation. Deren Kunst liegt darin, die eigenen Kommunikationsaktivitäten optimal zu orchestrieren. Ziel ist es, den Bezugsgruppen klare und verständliche Botschaften zu vermitteln. Die Mehrheit der befragten Personen erachtet die Heterogenität der Verbandsmitglieder als grösste Herausforderung in der Verbandskommunikation. Verbände müssen sich darüber im Klaren sein, wen sie repräsentieren und wie. Ohne Konzept gelingt dies nicht. Die Gefahr, sich in Einzelmassnahmen zu verzetteln und ein diffuses Bild zu vermitteln, ist jedoch umso grösser.
Für uns Verbände besteht grosses Optimierungspotenzial. Basierend auf meiner empirischen Untersuchung habe ich 25 Handlungsempfehlungen für Dach- und Unterverbände zur kommunikativen Handhabung von top-down geführten Kampagnen sowie zur Bewältigung der damit verbundenen kommunikativen Komplexität ausgearbeitet. (Zur Thesis)
«Perspektive Schweiz» war ein gemeinsames Werk von economiesuisse, dem Schweizerischen Arbeitgeberverband, dem Schweizerischen Bauernverband und dem Schweizerischen Gewerbeverband. Kampagnenziel war es, dass an den nationalen Wahlen 2023 vermehrt wirtschafts- und landwirtschaftsfreundlich gewählt wird. Die Masterarbeit von Thomas Odermatt hat sich mit folgender Forschungsfrage befasst: Wie handhaben lokale und regionale Bauern- und Wirtschaftsverbände die dachverbandsübergreifende politische Kampagne «Perspektive Schweiz» kommunikativ, welches sind die Auswirkungen auf die Komplexität ihrer Kommunikationsarbeit, und was lässt sich daraus für das Zusammenspiel zwischen Dach- und Basiskommunikation lernen?
Autor
Thomas Odermatt, Leiter Kommunikation Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ
Zur Bildwelt des Magazins:
Im Zentrum der Zentralinfo-Ausgabe 01/25 steht das Thema «Kommunikation». Kommunikation ist die Kunst der Verständigung. Dazu nutzen wir sprachliche Werkzeuge wie die Stimme, Gesten oder die Schrift. Professionelle Kommunikationsarbeit setzt diese Werkzeuge strategisch ein, um die Aufmerksamkeit zu verstärken und ihre Wirkung zu maximieren. Die Bildreihe dieser zentralinfo-Ausgabe schlägt eine sinnbildliche Brücke zwischen den Mitteln der strategischen Kommunikation und den dazu passenden Satzzeichen.