Zentralinfo 02/2024 «Leistung»: Ist der Ruf nach dem Staat
die Lösung?

Zentralinfo 02/2024 «Leistung»: Ist der Ruf nach dem Staat die Lösung?

Nicht erst durch den Volksentscheid zur 13. AHV-Rente dreht sich die Diskussion um die Frage, ob in der Schweiz «etwas ins Rutschen» geraten ist. Verlassen wir uns zu viel auf den Staat und die Solidarität der anderen?

Die Schweiz mit ihren demokratischen Institutionen, die von starkem Föderalismus geprägt sind, und den Instrumenten der Volksinitiative und des Referendums, galt bis anhin als Land, in dem an bei der Anspruchshaltung an den Staat zurückhaltend war. Reflexartig haben wir uns gegen Zentralisierung und Aufgabenverschiebung an den Staat gewehrt.

Wir haben jedoch die Covid-Pandemie, die CS-Krise (und davor die Finanzkrise mit der UBS-Rettung), die Interventionen der Nationalbank zugunsten der Währung usw. hinter uns. Ich denke, in all diesen Jahren hat sich die Einstellung von vielen Schweizerinnen und Schweizern verändert. Das hat der Entscheid für die 13. AHV-Rente gezeigt. Obwohl die Finanzierung noch nicht klar war, wurde deutlich zugestimmt. Vielfach mit dem Argument, dass man für alles andere auch genug Geld habe.

Der Finanzhaushalt des Bundes kennt nur eine Richtung
Der Bundeshaushalt spiegelt die gestiegene Anspruchshaltung an den Staat. Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Die Einnahmen sprudelten in den letzten Jahren. Aber die Ausgaben wuchsen eben noch stärker. 1990 betrugen die Einnahmen des Bundes 32.7 Milliarden Franken, die Ausgaben 31.6 Milliarden. 2023 waren es Einnahmen von 79.6 Milliarden und Ausgaben von 81 Milliarden Franken! Die Bruttoschulden stiegen von 38.5 Milliarden auf 128 Milliarden. Zum Glück haben wir Anfang der 2000er-Jahre die Schuldenbremse eingeführt. Diese Entwicklung ist eindrücklich. Natürlich ist die Wirtschaft in der Zwischenzeit auch gewachsen, aber eben nicht gleich stark. Das heisst auch, dass sich der zentrale Staat (und die Kantone/ Gemeinden) «ausweitet».

Wer oder Was ist «Schuld»?
Insofern ist nur schon aufgrund der Ausgabenseite unser Anspruch an den Staat gestiegen. Ist da «etwas ins Rutschen» geraten? Ich denke schon, dass sich unsere Einstellung verändert hat, wir suchen heute schneller die Lösung beim Staat. Die dafür gescholtene Politik nimmt ja nur die Stimmungen und Ansprüche im Volk auf. Natürlich ist in der Politik die Versuchung da, mit Staatsausgaben die eigene Klientel zu bedienen. Aber es ist zu einfach gedacht, wenn wir auf die Politikerinnen und Politiker zeigen und ihnen die Schuld geben. Es sind unsere Wünsche und Anliegen, die wir an sie herantragen und von ihnen die Lösung verlangen. Und das in zunehmendem Masse.

Ist die Party vorbei?
Nun sind wir jedoch an einem Punkt angelangt, wo es ohne Einsparungen nicht mehr geht. Dies auch im Hinblick auf die Prognosen, wozu auch die demografische Entwicklung zählt.

Natürlich kann man einfach die Einnahmen weiter erhöhen (z.B. die Mehrwertsteuer oder die Lohnabzüge), aber das schmerzt natürlich den Mittelstand direkt und sofort. Also wird es ohne Einsparungen kaum mehr gehen. Wobei Sparen das falsche Wort ist. Wir versuchen in den Budgetberatungen das Wachstum der Ausgaben zu drosseln. Es gibt meistens nicht weniger Mittel als im Vorjahr, aber nicht so viel Wachstum wie beantragt. Aber das ist schon schwer genug, weil natürlich die Anspruchsgruppen durchaus berechtigt auf ihre Aufgaben verweisen, die sie im staatspolitischen Interesse wahrnehmen (Sicherheit/Militär, Bildung, Landwirtschaft, Verkehr usw.). Das führt bei knapper werdenden Mitteln zu einem Verteilkampf unter diesen Gruppen.

Es liegt an der Politik, den Anspruchsgruppen, den Bürgerinnen und Bürgern transparent aufzuzeigen, welche Preisschilder ihre «Bestellungen» haben und dass (fast) nichts gratis ist. Vielleicht kann das da und dort zu einem Umdenken führen. Es ist nötig.

Gesamtausgabe «zentralinfo» 02/2024 (PDF)

Artikel von: Erich Ettlin, Ständerat OW, Dipl. Steuerexperte und dipl. Wirtschaftsprüfer bei BDO AG

Bilder: Die Bildreihe in dieser «zentralinfo»-Ausgabe zum Thema «Leistung» entstand im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil, wo geforscht, getestet, entwickelt, trainiert und produziert wird – um querschnittgelähmte Menschen im Alltag, im Sport und in der Mobilität optimal zu unterstützen – und das ein Leben lang.

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