
Zentralinfo 03/2025 «Regulierung»: Was ist gute Regulierung?
Regulierung bezweckt die Verwirklichung von Wohlfahrt, zu der öffentliche Güter wie die Sicherheit und Gesundheit oder eine intakte Umwelt gehören. Wie lässt sich dieses Ziel erreichen und zugleich die Wirtschaft so wenig wie möglich belasten?
Im juristischen Verständnis bedeutet Regulierung die staatliche Steuerung privater Akteure in den Formen des Rechts. Das zentrale rechtliche Steuerungsmittel ist das Gesetz. Primäre Regulatoren sind damit Parlament und Regierung.
Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Staatsverwaltung, die Gesetze und Verordnungen vorbereitet und vollzieht. Hinzu kommen ausgegliederte Marktüberwachungsbehörden wie die FINMA oder Swissmedic. Diese nutzen rechtliche Spielräume, um in Form von Weisungen oder Merkblättern in Märkte einzugreifen. Nicht zu vergessen sind private Organisationen wie Zertifizierungsstellen, Normungsorganisationen oder Branchenverbände, die – vom Staat anerkannte – Sorgfaltspflichten und andere Normen zu Produkten und Dienstleistungen erlassen. Schliesslich ist die Regulierung von Märkten stark durch das EU-Recht geprägt, welches die Schweiz aufgrund bilateraler Abkommen übernimmt oder autonom nachvollzieht.
Regulierungsziele
In einem Rechtsstaat muss jedes Gesetz einem öffentlichen Interesse dienen. Die klassischen öffentlichen Interessen sind die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, der Schutz der Gesundheit sowie die Wahrung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr. Im modernen Wohlfahrtsstaat sind zahlreiche weitere öffentliche Interessen hinzugekommen wie der Schutz von Natur und Umwelt oder versorgungs- und sozialpolitische Interessen. Ziel staatlicher Regulierung ist damit die Verwirklichung öffentlicher Interessen. Welche Regulierungsziele anzustreben sind, ist keine Frage des Rechts, sondern eine Frage der Politik. Das Recht verlangt indessen, dass die Ziele jeder Regulierung klar ausgewiesen werden. Jede Regulierung muss sich daran messen, ob sie die gesetzten Ziele effektiv erreichen kann. Unwirksame Regulierungen sind schlechte Regulierungen und gehören abgeschafft. Ein Beispiel sind die in den letzten Jahren stark angewachsenen Dokumentations- und Berichterstattungspflichten von Unternehmen zur Produktsicherheit sowie zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten. Es fragt sich, inwieweit diese Pflichten tatsächlich einen Beitrag zur Realisierung der – an sich berechtigten – Anliegen leisten.
Notwendigkeit und Subsidiarität
Zentrale Grundsätze guter Regulierung sind diejenigen der Notwendigkeit und Subsidiarität. Der Gesetzgeber muss sich stets vergewissern, ob es zur Erreichung eines öffentlichen Interesses eine gesetzliche Regelung wirklich braucht oder ob Gesellschaft und Wirtschaft nicht von sich aus in der Lage sind, das Problem zu lösen. Kritisch zu sehen sind etwa staatliche Qualitätsanforderungen. Es ist Sache der Nachfrager, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zu beurteilen und ihre Kaufentscheidungen daran auszurichten. Staatliche Eingriffe sind erst dann gerechtfertigt, wenn es darum geht, Gesundheitsschädigungen zu verhindern oder die Grundversorgung mit wichtigen Gütern sicherzustellen. Übergriffige Regulierungen sind häufig darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber wegen einzelner Missbräuche allgemeine Regelungen erlässt, die alle Wirtschaftsteilnehmer einschränken. Der Regulator sollte sich in solchen Fällen fragen, ob anstelle flächendeckender Verhaltensvorschriften nicht das Haftpflicht- und Strafrecht genügt, um die schwarzen Schafe zu bekämpfen.
Autor/Autorin:
Prof. Dr. iur. Bernhard Rütsche, Ordinarius für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie sowie Prorektor für Universitätsentwicklung an der Universität Luzern
Zur Bildwelt des Magazins (Thema «Regulierung»):
Regeln oder Rücksicht? Wo Mensch, Tier, Natur, Gesellschaft und Wirtschaft auf engstem Raum aufeinandertreffen, neben-, mit- und gegeneinander bestehen müssen, sind gewisse Regeln unumgänglich. Gekämpft wird um Recht und Berechtigung – aber manchmal reicht auch schon etwas Respekt und Rücksicht. Die Bildreihe dieser Ausgabe des zentralinfo illustriert im Umkreis der Stadt Luzern solche Spannungsfelder – offensichtliche, aber auch überraschende. Optisch reiben sie sich an einer scharfen Kante, immer auf der Suche nach einem harmonischen Gleichgewicht.


