Zentralinfo 04/2024 «Handel»: Entwicklungen im Onlinehandel: Ein Status-Update

Zentralinfo 04/2024 «Handel»: Entwicklungen im Onlinehandel: Ein Status-Update

Der Schweizer Onlinehandel bleibt trotz Konsumflaute stabil. Start-ups kämpfen derweil ums Überleben. Die Großen reduzieren Kosten und sind bei Investitionen zurückhaltend.

Nach einem Dämpfer im Jahr 2022 konnte der Onlinehandel das Umsatzminus 2023 wieder aufholen und 14,4 Milliarden Schweizer Franken erreichen. Dieses vermeintliche Wachstum basierte allerdings hauptsächlich auf der Teuerung. Die Konsumflaute beeinflusst den Onlinehandel auch im Jahr 2024, und die Stimmung im Handel ist in der Tendenz negativ. Die Umsätze 2024 bewegen sich auf Vorjahresniveau.

Zwölf Prozent des Detailhandelsumsatzes in der Schweiz wird online erwirtschaftet. 2023 lag der Onlineanteil im Food/Near-Food-Segment bei drei Prozent, während im Non-Food-Segment 18,8 Prozent der Umsätze online erzielt wurden. Heimelektronik macht im Non-Food-Segment den größten Anteil aus: Mehr als jeder zweite Franken wird hier online ausgegeben.

Preissensible Kundschaft
Nachdem der Schweizer Onlinehandel im „Coronajahr“ 2020 um 30 Prozent wachsen konnte, hat ab dem Jahr 2022 eine Konsolidierung eingesetzt. Schweizerinnen und Schweizer sind zurückhaltender bei ihren Ausgaben. Anbieter mit Discountpreisen und stark rabattierten Angeboten werden gezielter aufgesucht. Viele Händler haben weiterhin volle Lager sowohl im In- als auch im Ausland und drücken ihre Produkte in den nachfrageschwachen Markt.

Chinesische Anbieter wie PDD Holdings mit ihrer Plattform Temu haben durch aggressive Preispolitik schnelles Wachstum erzielt und in der Schweiz einen geschätzten Umsatz von 350 Millionen Franken im Jahr 2023 erreicht. Plattformen wie Temu, Aliexpress und Shein nutzen die Kaufzurückhaltung in China, um auf ausländische Märkte zu expandieren. Der günstigste Lieferant erhält den Zuschlag, was die extrem niedrigen Preise erklärt. Trotz Kritik an fehlender Nachhaltigkeit, schlechten Arbeitsbedingungen und Steuerschlupflöchern bestellen die Schweizer munter weiter.

Fokus: Kostenoptimierung
Auch die größten Schweizer Detailhändler, Migros und Coop, reagieren auf die schwierige Wirtschaftslage und senken Kosten, was auch den Onlinehandel betrifft. Migros konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft und verkauft Geschäftseinheiten wie Melectronics, SportX, BikeWorld und MiSenso und schließt nun den zahnmedizinischen Anbieter Best Smile. Weitere Verkäufe sind geplant.

Coop wiederum hat ihr Pure-Play-Onlinewarenhaus Microspot aufgegeben und setzt auf Omni-Channel-Formate. Wie es mit den sich überlappenden Sortimenten von Nettoshop, Fust und Interdiscount weitergeht, bleibt unklar.

Auch E-Commerce-Start-ups stehen unter Kostendruck. Migros hat den Inkubator Sparrow Ventures aufgelöst. Das E-Food-Start-up Farmy kämpft ums Überleben, musste seinen Standort in der Westschweiz schließen und eine Crowdfunding-Kampagne starten. Das Babybrei-Start-up Yamo hat den Betrieb eingestellt.

Gemischte Aussichten
Die Aussichten für den Schweizer Onlinehandel bleiben gemischt. Bestimmten Anbietern bieten sich Chancen: Marktplätze sowie der Lebensmittel- und B2B-Handel verzeichnen positives Wachstum.

Für 2024 wird ein kleines einstelliges Wachstum im Onlinehandel erwartet. Erfreulich ist, dass trotz des Kostendrucks Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit erzielt werden, etwa durch Kreislaufwirtschaft und Secondhand-Konzepte. Viele Onlineshops investieren in neue Servicefunktionen, oft getrieben durch KI-Technologien, um eine bessere Kundenerfahrung zu schaffen.

Autor:
Andrés Kobelt, Digital Business Consultant, Carpathia AG

Zur Bildwelt des Magazins:
Ursprünglich stand der Handel exotischer Waren an der Luzerner Määs im Vordergrund. Verkäufer auf der Gotthard-Handelsroute zwischen Italien und Frankreich stellten ihre Stände auf und boten Waren aus aller Welt an. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die Unterhaltung und das Vergnügen immer wichtiger. Schaubuden mit Musik und Fahrgeschäfte kamen auf und prägen seither das Bild. Dennoch kommen bis heute viele Händler mit exotischen Ess- und Handelswaren an die Määs und führen die alte Tradition fort. Einige von ihnen wurden an der diesjährigen Määs fotografiert und in dieser Ausgabe des «zentralinfo» in der Bildreihe publiziert.

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