Zentralinfo 04/2024 «Handel»: Zentralschweizer Handel aus historischer Sicht

Zentralinfo 04/2024 «Handel»: Zentralschweizer Handel aus historischer Sicht

Die Handelsbeziehungen Luzerns und der Zentralschweiz waren in der Vormoderne vielseitig und entfalteten sich vor allem entlang der Gotthardroute, aber auch über den Brünig und die Berner Alpenübergänge Richtung Süden. Eigentlicher „Exportschlager“ war indes das Vermitteln von Söldnertruppen für fremde Fürsten.

Käse- und Viehexport – Salzimport
Die Zentralschweiz betrieb seit dem Mittelalter einen regen interregionalen Binnenaustausch, aber auch Fernhandel mit dem heutigen nahen Ausland. Verbreitet war seit dem ausgehenden Mittelalter unter anderem der Käsehandel mit den norditalienischen Märkten entlang der sogenannten Sbrinzroute, auf welcher der beliebte Hartkäse Sbrinz auf Saumpfaden über den Brünig, Grimsel- und Griespass nach Domodossola exportiert wurde. Wie der Sbrinz- war auch der Entlebucher Käsehandel als Tauschhandel Richtung Norditalien konzipiert. Als Gegengeschäft zur exportierten Ware führten die einheimischen Händler von den norditalienischen Märkten Getreide, Wein, Gewürze, Mais oder Tuch in die Innerschweiz.

Gotthard – wichtige Handelsroute für Luzern und die Zentralschweiz
Für die Zentralschweiz bedeutsam war nebst dem Käse- auch der Viehhandel mit Norditalien. Dieser wurde um 1600 durch die vier Waldstätte gemeinsam dahin geregelt, dass die lokalen Händler selbst kein Vieh nach Süden treiben durften. Der Viehexport musste ausschließlich durch welsche Händler erfolgen. Vom zentralen Luzerner Herbstviehmarkt, der jeweils Ende September stattfand, wurden bedeutende Mengen Tiere über den See und den Gotthard in den Süden exportiert, wo sie auf dem alljährlichen Viehmarkt zu Lauis (Lugano) oder in Mailand verkauft wurden. Die Versorgungssicherheit der lokalen Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Produkten hatte gegenüber dem Export allerdings immer Vorrang.

Unentbehrlich für Mensch sowie für die auf Vieh- und Milchwirtschaft spezialisierte Landwirtschaft der Zentralschweiz war die Versorgung mit Salz, das hier fehlte. Die wichtigsten Salzeinfuhrgebiete lagen seit dem Mittelalter in Hall (Tirol). Von zweitrangiger Bedeutung waren Salzlieferungen aus Salins-les-Bains im Burgund oder aus Lothringen, während Meersalzimporte aus Südfrankreich und Italien eine untergeordnete Rolle spielten. Der Markt von Luzern wirkte beim Salzhandel als zentrale Drehscheibe, welche auch die Innerschweizer Orte mit diesem unentbehrlichen Rohstoff bediente.

Innerschweizer Militärunternehmertum
Der eigentliche „Exportschlager“ aus Luzern und der Zentralschweiz war seit dem ausgehenden Mittelalter indes das Vermitteln von Söldnern in fremde Dienste. Im Gefolge der militärischen Siege der Eidgenossen über den Herzog von Burgund, Karl den Kühnen, in den 1470er-Jahren stieg bei den europäischen Fürsten und Königen die Nachfrage nach Schweizer Söldnern ins Unermessliche. Alle wollten Schweizer Söldner in ihren Reihen wissen und waren bereit, alleine für deren Anwerben hohe Geldbeträge – sogenannte Pensionen („Werbe-Lizenzgelder“) – auf den Tisch zu legen.

Während die reformierten Orte im Gefolge Zwinglis Soldkritik – dies sei, junge Menschen auf die Schlachtbank zu führen – das Söldnerwesen vorübergehend untersagten, hielten Luzern und die katholische Innerschweiz an diesem Erwerbsmodell bis zum bundesrätlichen Verbot 1859 fest. Abertausende junger Männer aus der Innerschweiz hatten sich bis dahin in dieser speziellen Form des Außenhandels in der Fremde angedient, bezahlten ihr Wirken häufig mit dem Leben oder kehrten versehrt zurück. Einem erlauchten Kreis von Innerschweizer Magistraten und Patriziern, wie den Lussis aus Stans oder den Luzerner Pfyffer von Altishofen, verhalfen der Offiziers- und Solddienst im Ausland indes zu politischer Macht, Ansehen und Reichtum, wovon unter anderem ihre stattlichen Anwesen bis heute Zeugnis ablegen.

Die reichlich fließenden Pensionengelder erübrigten im alten Luzern übrigens das Erheben direkter Steuern, führten aber auch zu Verteilungskämpfen und politischen Spannungen, wenn der Geldsegen versiegte oder gänzlich ausblieb.

Wirtschaftlicher Sonderfall Zentralschweiz
Das Festhalten der katholischen Orte an diesem speziellen Erwerbsmodell hat vor allem den Aufbau einer Fabrikindustrie in Luzern und in der Innerschweiz namhaft verzögert – der industrielle Take-off erfolgte hier im Unterschied zu den reformierten Orten erst mit erheblicher Verspätung. Umgekehrt ebnete dies dem Luzerner Fremdenverkehr im 19. Jahrhundert den Weg zum Leading Sector: „Vom Dienen in der Fremde, zum Dienen für die Fremden.“ Letztere wünschten sich in Luzern ein unverbautes Alpenpanorama und keine rauchenden Fabrikschlote!

Autor:
Dr. phil. Marco Polli, Präsident Historische Gesellschaft Luzern 2008 – 2018

Zur Bildwelt des Magazins:
Ursprünglich stand der Handel exotischer Waren an der Luzerner Määs im Vordergrund. Verkäufer auf der Gotthard-Handelsroute zwischen Italien und Frankreich stellten ihre Stände auf und boten Waren aus aller Welt an. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die Unterhaltung und das Vergnügen immer wichtiger. Schaubuden mit Musik und Fahrgeschäfte kamen auf und prägen seither das Bild. Dennoch kommen bis heute viele Händler mit exotischen Ess- und Handelswaren an die Määs und führen die alte Tradition fort. Einige von ihnen wurden an der diesjährigen Määs fotografiert und in dieser Ausgabe des «zentralinfo» in der Bildreihe publiziert.

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