13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Eröffnungspodium

13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Eröffnungspodium

Sorgfältig formuliert und wohlüberlegt eingesetzt, können Visionen in Unternehmen nachhaltig Wirkung entfalten.

Orientierung schaffen durch Unternehmenswerte und -visionen

Ein Zukunftsforscher, eine Familienunternehmerin und ein Arbeitgebervertreter tauschten sich darüber aus, wie Werte und Visionen mehr sein können als leere Schlagworte. Echte Wirkung erzielen Visionen, die klar formuliert und messbar sind.

Die Vorlage für das Eröffnungspodium war bewusst steil: «Mit Visionen die Zukunft gestalten» lautete der Titel. Nach einem visionären Impulsreferat von Zukunftsforscher Stephan Sigrist eröffnete Moderator Michael Rauchenstein das Podium. Die erste Frage richtete sich an Anna Hug, Co-Geschäftsleiterin des Backwarenunternehmens Hug AG: «Kann man bei einem Traditionsunternehmen wie Hug überhaupt noch Visionen haben?» Die angesprochene Anna Hug antwortete mit einem vehementen «Unbedingt!», und ergänzte: «Es braucht zwingend eine Idee, wohin die Reise geht, sowohl unternehmerisch wie auch persönlich.»

Vision als Orientierungshilfe im Unternehmen
Am Begriff der Vision gingen die Meinungen auseinander. Severin Moser, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, sprach lieber von langfristigen Zielen. Für ihn ist wichtig, dass eine Vision tatsächlich Orientierung schafft. Von schwammigen Formulierungen hält er wenig.

Anna Hug lieferte gleich ein Beispiel aus der Praxis: Die Hug AG diskutierte intern, ob das Trendprodukt Donut ins Sortiment aufgenommen werden sollte. Das beliebte Gebäck kann jedoch nur unter Zugabe zahlreicher E-Stoffe hergestellt werden, was im Widerspruch steht zu den Firmenwerten des Familienunternehmens. Schliesslich sah Hug von einer Sortimentserweiterung ab. Die eigenen Werte wurden höher gewichtet als ein flüchtiger Food-Trend.

Automatisierung als Megatrend und Muss für den Schweizer Arbeitsmarkt
Digitalisierung und Automatisierung sind zwei Megatrends, welche die Visionen und Strategien von Zentralschweizer Unternehmen prägen. Stephan Sigrist machte auf einen weitverbreiteten Irrglauben aufmerksam, wonach Mitarbeitende befürchten, durch Automatisierung ihren Job zu verlieren. Demografische Prognosen zeigen jedoch, dass bis 2030 rund eine halbe Million Arbeitskräfte in der Schweiz fehlen. Arbeiterinnen und Arbeiter werden durch die Automatisierung nicht wegrationalisiert, sondern dorthin verschoben, wo Aufgaben nicht automatisiert werden können. Bis 2050 nimmt der Arbeitskräftemangel weiter zu – und das allein, um den Wohlstand auf dem Stand von heute (2023) halten zu können.

Topsharing als Antwort auf den Fachkräftemangel
Neben zunehmender Automatisierung sind auch innovative und flexible Arbeitszeitmodelle eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Topsharing – zu Deutsch das Aufteilen einer Führungsposition auf zwei Arbeitspensen mit geteilter Verantwortung – ist ein Beispiel. Anna Hug übt das CEO-Amt bei der Hug AG im Topsharing (70% & 70%) aus. Auch Severin Moser machte in früheren Funktionen positive Erfahrungen mit geteilten Führungsrollen. Er sieht dieses Modell als Möglichkeit, Personen mit Teilzeitpensen für eine Führungsfunktion zu motivieren sowie Mitarbeitende, die sich eine Führungsrolle ohne Jobsharing nicht zutrauen würden.

Wie berechtigt sind Visionen und Mehrjahresstrategien in einer sich rasch verändernden und unsicheren Welt? Anna Hug erwähnte Corona als Beispiel: Die Hug AG steckte mitten in einer Strategieperiode als die Pandemie zuschlug. «Wir haben Nuancen in unserer Strategie angepasst, doch unsere Schwerpunkte blieben unverändert.» Arbeitgeberverbandspräsident Moser erwähnte Szenarien als probates Mittel in der VUCA-Welt: «Jeder Bergführer denkt in Szenarien und überlegt sich ‘Was mache ich, wenn x oder y passiert’. Diese Methode eignet sich hervorragend für Unternehmen in einer unsicheren Umwelt.»

Steigender Anspruch in Bezug auf Zweck und Work-Life-Balance
Zum Abschluss tauschten sich die Referierenden über die Ansprüche jüngerer Arbeitnehmender aus und waren sich einig, dass die junge Generation neben einer unternehmerischen Vision auch den unternehmerischen Zweck (Purpose), die Selbstwirksamkeit sowie die Work-Life-Balance höher gewichten als ihre Vorgänger.

Junge Menschen erwarten neben finanziellen Anreizen auch soziale und nachhaltige Anreize und einen überzeugenden Unternehmenszweck. «Die Anforderungen der Jungen sind breiter und grösser und beinhalten den Purpose», hielt Severin Moser zum Abschluss der Diskussion fest.

Severin Moser, Anna Hug und Stephan Sigrist diskutierten mit Michael Rauchenstein

Key Take-Away

  • Visionen und Werte müssen möglichst konkret formuliert und überprüfbar sein, damit sie im Unternehmen Orientierung stiften können.
  • Topsharing ist eine Antwort auf den Fachkräftemangel: Geteilte Führungsrollen erschliessen neue Potenziale auf dem Arbeitnehmermarkt.
  • Automatisierung und Digitalisierung führen nicht zwingend zu weniger Jobs, sondern ersetzen grösstenteils Arbeitskräfte, die aufgrund der demografischen Entwicklung im Arbeitsmarkt fehlen.
  • Visionen haben auch in einer VUCA-Welt ihre Berechtigung: Szenario-Denken sowie regelmässige Überprüfung und Anpassung der Vision sind probate Mittel, um die Unternehmensvision agil weiterzuentwickeln.
  • Die Anforderungen junger Menschen an ihre Arbeitgeber sind grösser und breiter als früher. Junge Arbeitnehmende erwarten neben finanziellen Anreizen auch soziale und nachhaltige Anreize sowie einen überzeugenden Unternehmenszweck und Möglichkeiten zur Mitwirkung.

Publikation «Spezial» zum 13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum

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