13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Podiumsdiskussion «Unternehmensvisionen»

13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum: Podiumsdiskussion «Unternehmensvisionen»

Langfristige Sinnstiftung oder zahnloser Papiertiger?

Unternehmensvisionen in Aktion: Einsichten in gelebte Praktiken von Unternehmerinnen und Unternehmern

Eine Unternehmensvision ist eine Beschreibung der angestrebten Zukunft im Unternehmen. Inspirierend, langfristig, klar, prägnant, einzigartig, motivierend und vieles weitere soll sie sein. Die Podiumsdiskussion bot Einblicke in gelebte Praktiken von Unternehmerinnen und Unternehmern.

Die Unternehmensvision von Yokoy liegt darin, ein Problem zu lösen, das jedes Unternehmen kennt, nämlich das Ausgabenmanagement. Unternehmen können dadurch Zeit und Geld sparen – «und das genau dort, wo es weh tut», führte Melanie Gabriel, Mitgründerin von Yokoy, aus. Das ifam – Institut für angewandte Markenführung verfolgt die Vision, Klarheit zu schaffen für ein vitales Wirtschaften, so Colinda Kürschner, Leiterin des ifam. Die Vision ihres Herzensprojekts, der Stiftung Zukunft Kinderspital Zentralschweiz, ist hingegen viel weiter gefasst: Die Stiftung will «wesentlich werden für die Gesundheit der Kinder in der Zentralschweiz», führte die Mitinitiantin der Stiftung aus. Hans-Peter Strebel, Verwaltungsratspräsident des EVZ sowie Gründer und Inhaber der OYM AG, definierte die Vision der OYM als «Zentrum für Spitzensport, gesteuert durch die Wissenschaft». OYM möchte jeden Athleten dahin führen, wo er oder sie das persönliche Maximum erreichen kann. Schon immer Freude daran, Neues zu lernen, hatte Thomas Bergen, CEO von getAbstract. Andere im Lernprozess zu unterstützen und «basierend auf besserem Wissen bessere Entscheidungen zu treffen», war die Gründungsvision des Luzerner Unternehmens und diese hat bis heute Gültigkeit.

Personenbezogene oder kollektive Vision?
So verschieden diese Unternehmensvisionen sind, eines haben sie doch gemeinsam, folgerte der Moderator des Podiums, Erik Nagel, Vizedirektor der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Leiter des Instituts für Betriebs- und Regionalökonomie IBR. Diese Visionen sind sehr eng mit den Personen hinter den Unternehmen verbunden. Die Frage, ob dies eine gewisse Gefahr in sich berge, weil die Führungsfiguren das Unternehmen auch verlassen könnten, verneinte Hans-Peter Strebel. Man müsse lediglich früh genug die Nachfolgeplanung anpacken. Colinda Kürschner ergänzte, dass die Visionen nicht immer «von oben» vorgegeben werden respektive vom Inhaber kommen, sondern in vielen Unternehmen in einem kollektiven Prozess entstehen.

Spannungsfeld Stabilität versus Veränderung
Visionen sollen langfristig gültig sein, dem Unternehmen Stabilität und den Mitarbeitenden Orientierung geben, gleichzeitig müssen sie sich weiterentwickeln und den sich ändernden Umständen anpassen können. «Der Kerngehalt muss stabil bleiben – sonst hat man ein Problem», meinte Thomas Bergen. Seine Aussage untermauerte der Unternehmer damit, dass all seine Mitarbeitenden nur zu getAbstract kamen, weil sie den innersten Kern der Unternehmensvision mittragen. Obwohl sich momentan am Geschäftsmodell von getAbstract dramatisch viel am «how» verändere, führte er aus, sei das «why» nicht von diesem Wandel tangiert. Im «why» – der Frage nach dem Unternehmenszweck – steckt nach Bergen der unveränderbare Kerngehalt der Vision. 

«Inhaber- und familiengeführte Unternehmen setzen auf Langfristigkeit, während managementgeführte Unternehmen eher kurzfristiger ausgerichtet sind», so Colinda Kürschner. Thomas Bergen ergänzte die Ursache: «Manager müssen ihren Leistungsausweis auf Quartalsbasis erbringen. Ohne Ankerinvestor im Unternehmen, der eine langfristige Vision und Strategie durchhalten kann und will, führt das zu wirtschaftsmässigen Grosskatastrophen wie jene der Credit Suisse».

«Aber es gibt Hoffnung», warf Colinda Kürschner ein. Diese liege darin, dass die Themen Werthaltung und Führung im Zuge des Fachkräftemangels mehr Präsenz bekommen als zuvor. «Mensch bleibt Mensch» pflichtete Hans-Peter Strebel bei. «Der Mensch will Werte. Der Mensch will Verbindung», fügte Colinda Kürschner hinzu.

Toter Buchstabe oder Vision in Aktion?
«Die eigene Unternehmensvision zu Papier zu bringen ist das eine, sie im Alltag umzusetzen und zu leben etwas anderes», stellte Erik Nagel in den Raum. Melanie Gabriel stimmte zu und erklärte, dass die Vision ein lebendes Dokument ist, dessen Tatbeweis jeden Tag aufs Neue erbracht werden muss. Erfolgsentscheidend ist es, dass man – auch in Zeiten rascher Veränderung – versucht, alle Mitarbeitenden auf Basis der Vision mitzunehmen und damit jeglicher Verunsicherung vorzubeugen. «Selbst, wenn das kommunikativ enorm anstrengend ist», berichtete Thomas Bergen aus eigener Praxiserfahrung zum Schluss.

Hans-Peter Strebel, Melanie Gabriel, Colinda Kürschner, Thomas Bergen und Moderator Erik Nagel

Key Take-Away

  • Menschen brauchen – insbesondere in einer VUCA-Welt – Visionen und Werte zur Orientierung.
  • Unternehmensvisionen sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Sinnstiftung für Mitarbeitende.
  • Um nachhaltig Wirkung entfalten zu können, sollten Unternehmensvisionen im kollektiven Prozess unter Einbezug der Mitarbeitenden entstehen.
  • Damit Unternehmensvisionen ihr volles Potenzial entfalten, müssen sie im Berufsalltag umgesetzt, gelebt und regelmässig überprüft werden.
  • Visionen zu entwickeln und zu leben ist nicht einfach, aber es lohnt sich.

Publikation «Spezial» zum 13. Zentralschweizer Wirtschaftsforum

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