Zentralinfo 03/2022 «Daten»: Artikel Remo Infanger

Zentralinfo 03/2022 «Daten»: Artikel Remo Infanger

Sind Daten das neue Gold, fragt Remo Infanger, Direktor Kantonales Elektrizitätswerk Nidwalden und VR EVUlution AG.

Daten – das neue Gold? Mitnichten – Daten waren schon immer Gold wert. Denn ohne Daten und Statistiken wäre die Stromwirtschaft unmöglich, und ohne Strom würde die Volkswirtschaft nicht funktionieren.

Seit Beginn der modernen Industrialisierung ist Strom ein äusserst wichtiger Energieträger. Die Messung des Strombezugs erfolgt mit einem Stromzähler. Früher war das ein elektromechanisches Wunderwerk. Die Datensammlung bestand aus reinen Zahlen, welche vorne am Gerät abzulesen waren und ein Angestellter des Stromversorgers sporadisch auf ein Blatt zu übertragen hatte. Die Produktion von Strom wurde genau gleich gemessen und dokumentiert. Hier allerdings mehrfach täglich. Danach wurden alle Zahlen fein säuberlich von Hand in meist mehrere riesige Tabellen übertragen. Berge von Papierstapeln in unserem Archiv zeugen davon. Sobald alle Listen fertig waren, entstand eine Bilanz zwischen Bezug und Produktion. Wenn alles korrekt war, ergab die Bilanz zu jedem Zeitpunkt null. Denn der Bezug und die Herstellung von Strom muss zu jedem Zeitpunkt genau ausgeglichen sein. Wenn dieser Grundsatz nicht stimmt, gerät das System aus dem Gleichgewicht und es droht der Blackout.

Datenbasis als Planungsgrundlage

Natürlich ist das gesamte Stromsystem darauf ausgelegt, ungeplante Abschaltungen durch ein Ungleichgewicht zwischen Bezug und Produktion zu vermeiden. Um ständig genug Strom im Netz zu haben, ist eine genaue Planung entscheidend. Wichtigste Grundlage dafür ist die Erwartung des Strombezugs. Das kann praktisch für jeden Zeitpunkt des Tages ziemlich genau hergeleitet werden. Grundlage dafür ist die Datenbasis, die jeder Energieversorger besitzt. Kombiniert mit verschiedenen weiteren Einflussfaktoren wie zum Beispiel Temperatur, Schulferien usw. wird das sogenannte Lastprofil berechnet. Dem gegenüber wird die Produktionsplanung gestellt. Unser Kraftwerkpark besteht zum grössten Teil aus Wasserkraftanlagen. Auch hier wird die Datengrundlage mit verschiedenen Einflussfaktoren modifiziert, und schon wissen unsere Fachleute, wann welche Produktion zur Verfügung steht.

Der Fachmann, der dies alles plant, ist der Energiewirtschafter. Sein Kapital ist seine Erfahrung – die er quasi als Superstatistik in seinem Kopf gespeichert hat. Interessant ist, dass bisher kein System bekannt ist, dass die Arbeit des Energiewirtschafters vollständig automatisiert erledigt. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich dies im Zuge der Digitalisierung bald ändern wird. 

Daten ermöglichen die Energiewende

Das oben beschriebene System ist im Wesentlichen von zentralen Produktionsanlagen geprägt. Im künftigen Energiesystem wird die Produktion dezentral erfolgen. Es versteht sich, dass dadurch die Sicherung der Stabilität wesentlich komplexer und aufwendiger wird. Schnelle Rechensysteme müssen rasch reagieren und flexible Verbraucher und Erzeugungen direkt steuern können. Möglich wird das nur, wenn die Datenbasis für die Steuerungen ebenfalls zeitnah, am besten in Echtzeit, zur Verfügung steht. Mit dem eingangs beschriebenen System wäre das hoffnungslos. Deshalb wird die Schweiz mit Smart Metering ausgerüstet. Diese Systeme sind sehr schnell im Erfassen und Liefern der Daten. Ohne diese neuen Messsysteme wäre die Energiewende – ich bevorzuge den Ausdruck Klimawende, weil es ja eigentlich darum geht – kaum machbar. Und würde unser Klima komplett verrücktspielen, wäre wohl alles Gold der Welt nichts wert. Der Vergleich, dass Daten wirklich Gold wert sind, darf deshalb in diesem Kontext sicher so gezogen werden.

 

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