Zentralinfo 04/2023 «Sicherheit»: Artikel von Rayk Sprecher

Zentralinfo 04/2023 «Sicherheit»: Artikel von Rayk Sprecher

Sicherheit hat zahlreiche Facetten und sieht sich vielen Unsicherheiten ausgesetzt. Diese ausschliessen zu wollen ist ebenso wenig zielführend, wie sie zu ignorieren.

Finanziell abgesichert sein, sich sicher zu fühlen, sichere Entscheidungen zu fällen – «Sicherheit» umfasst derart viele Bedeutungen, dass Zweifel daran angebracht sind, ob es sich überhaupt um nur einen Begriff handelt. Der objektive Schutz vor Gefahren ist damit ebenso gemeint wie das emotionale Geborgensein. Sorglosigkeit führt gleichermassen zu Sicherheit wie Mut. Wer geschickt und geübt ist, erscheint ebenso sicher wie eine gewissenhafte und zuverlässige Person. Und was (oder wer) harmlos ist, darf auch als sicher gelten.

Die durchwegs positiv konnotierte Bedeutungsbreite von «Sicherheit» mag einer der Gründe sein, warum uns «Sicherheit» als politisches Versprechen und als Dauerwerbebotschaft berieselt – ohne, dass ganz klar ist, was «Sicherheit» jeweils meint und woher sie kommt. Derlei Botschaft treffen auf fruchtbaren Boden, weil wir beständig und notwendigerweise von äusseren und inneren Unsicherheiten umgeben sind.

Wer auf Sicherheit aus ist, hat verschiedene Optionen. Und für die gehen wir mal von der grossen Weltbühne in die Küche: Wer beim Kochen Sicherheit sucht, wird auf Bewährtes setzen. Das ist für Gäste wohl auch ratsam, aber schränkt auf jene Gerichte ein, die wir schon kennen und können oder zwingt uns, minutiös dem (bewährten) Kochbuch zu folgen. Im anderen Extrem können wir uns auch selbstsicher geben und experimentieren, «Risiko nehmen», wie das so schön heisst. Dies ist auch eine Art der Sicherheit, weil sie die potenzielle Unsicherheit schlicht ignoriert. Beide Varianten haben Nachteile: Im ersten Falle kommen Sie über das Bekannte nicht hinaus. Im anderen Falle laufen Sie Gefahr, zu scheitern – und zum Schluss Pizza zu bestellen.

Vielleicht aber besteht Sicherheit ja weder darin, Unsicherheiten durch Reduktion der Optionen auszuschliessen noch sie einfach blind zu umarmen, sondern in der Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten. Dazu braucht es zwei Voraussetzungen: Erstens gilt es, genau zu klären, wo genau Sicherheiten bestehen und wo nicht und zweitens, unsere Fähigkeiten so weiterzuentwickeln, dass wir ihnen vertrauen. Die so gewonnene Selbstsicherheit hat zur Folge, dass wir weniger Energie für die eigene Sicherheit aufwenden müssen.

Zur Erklärung dieser Sicherheit hilft ein letzter Blick in die Küche: Anstatt sich durch den Wunsch nach Sicherheit auf die Gerichte zu beschränken, die man nachweislich kann, sklavisch dem Kochbuch zu folgen oder wild zu experimentieren, besteht Sicherheit darin, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, um sich mehr zuzutrauen und so auch Fehler zu integrieren. So wird sie zur Kunst, über das Bekannte hinauszugehen, ohne sich blindlings in die Arme der Unsicherheit zu werfen. Kochbücher braucht es dann nur noch zur Inspiration.

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